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US-Bundesstaat Oregon, Donnerstag, 02. Mai 2002, 22:41 Uhr

Der nachtschwarze Pontiac-Prototyp fuhr fast lautlos den Waldweg entlang. Die beiden Scheinwerfer warfen ihre Lichtkegel auf die Piste und das Unterholz, während das zwischen ihnen hin und her laufende rote Licht dem ganzen einen schon fast surrealen Ausdruck verlieh.

“Michael, meine Sensoren orten in 24 Meter Entfernung einen natürlichen Hohlraum in einem Hügel vor uns,” sagte K.I.T.T.

“K.I.T.T.” stand für “Knight Industries Two Thousand”, obwohl sich die künstliche Intelligenz, die K.I.T.T. ausmachte, in der Hülle des “Knight Industries Four Thousand” befand. Vor drei Jahren, als Michael Knight nach zehnjährigem Ruhestand wieder zur Foundation For Law And Government, kurz FLAG, zurückgekehrt war, musste er mit Erschrecken feststellen, dass der neue Leiter der Foundation, Russell Maddock, den alten K.I.T.T. verschrottet hatte. Glücklicherweise konnte Michael K.I.T.T.s “Seele”, seinen Mikroprozessor, retten und ihn in das neueste Projekt der Foundation, eben den Knight Industries 4000, einbauen.

 “Das muss die Höhle sein, von der Billy gesprochen hat,” rief der Mann auf dem Beifahrersitz. Declan Dunne war Professor für Anthropologie an der hiesigen Universität von Portland und im Laufe von Michaels und K.I.T.T.s Ermittlungen in diesem Fall zu ihnen gestoßen. Michael hatte so einen Uni-Professor noch nie gesehen. Declan war Ende dreißig, Brillenträger, stets unrasiert, sah ziemlich gut aus (soweit Michael das beurteilen konnte) und war der lässigste Akademiker, den er jemals getroffen hatte. Er trug Jeans, Lederjacke und Cowboystiefel und besaß eine unglaubliche Fantasie, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

“Kannst du schon irgendwelche... ähm... Lebensformen orten?” fragte Michael K.I.T.T. Michael, der Veteran unter den Außendienstmitarbeitern der Foundation, hatte in alle den Jahren, in denen er zusammen mit K.I.T.T. Fälle gelöst hatte, schon einiges gesehen, aber noch niemals...

“Monster!” sagte Declan. “Kannst du Monster orten?” fragte er K.I.T.T., während er gespannt auf die Windschutzscheibe starrte, die auf Virtual Reality Mode geschaltet war. Eine Computergenerierte Grafik bildete den Weg und den Wald taghell ab.

“Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, was sie mit ‘Monster’ genau meinen, bin ich noch nicht nahe genug an der Höhle. Sie scheint relativ weit ins Innere des Hügels zu führen,” antwortete K.I.T.T.

Während Michael den Wagen näher an die Höhle heranfuhr, warf er kurz einen skeptischen Blick auf Declan. Was er so mitbekommen hatte, schien Dunne einen gewissen Ruf auf dem Campus zu haben. Er untersuchte in seiner Freizeit mysteriöse Phänomene, weswegen er von vielen für einen komischen Kauz gehalten wurde. Dennoch war der Mann durchaus sympathisch, jemand, mit dem man gerne befreundet sein möchte, überlegte Michael.

“Hier ist es, Michael,” sagte K.I.T.T. Knight stoppte den Wagen. Er und Dunne stiegen aus. Es war sehr kühl und sehr dunkel. Die am Wegesrand stehenden Redwoods ragten bis hoch in den Sternenhimmel hinein, der die einzige Lichtquelle außer K.I.T.T.s Scheinwerfern abgab.

“Wenn sie von hier aus etwa sieben Meter in nordwestlicher Richtung gehen, stoßen sie genau auf den Höhleneingang. Und Michael... ich orte tatsächlich etwas. Solche Werte habe ich noch nie empfangen. Aber etwas ist dort drinnen. Seien sie vorsichtig!”

“Das werden wir sein, K.I.T.T.,” antwortete Michael. “Schalt’ auf Überwachung!”

“Na, jetzt werden wir ja sehen, was sie vor mir verheimlichen wollen, Mr. Knight,” meinte Declan.

“Ich werde es selbst erst glauben, wenn ich es sehe,” antwortete Michael. Er wünschte sich trotz seiner Zweifel, dass er irgendeine Waffe dabei hätte. Zwar war K.I.T.T. so etwas wie eine fahrbare und denkende Waffe, aber in der Höhle würde er ihm wenig nützen.

Declan und Michael schalteten ihre Taschenlampen ein und verließen den Waldweg. Sie machten beide einen großen Schritt über den Straßengraben und spürten sofort den weichen, modrigen Waldboden unter ihren Schuhsohlen. Irgendwo heulte eine Eule auf.

“Ganz schön unheimlich, was?” meinte Declan. Michael erwiderte nichts, sondern drang weiter zielstrebig ins

Dunkel vor. Nach wenigen Schritten fanden die Lichtkegel der Taschenlampen den Eingang zur Höhle. Efeuranken verdeckten die Öffnung teilweise. Michael und Declan sahen sich kurz bedeutungsvoll an, dann gingen sie hinein. Michael musste sich aufgrund seiner Größe ducken, doch hinter der Öffnung war die Höhle höher. Er hob sein linkes Handgelenk und sprach in sein Comlink, das auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Armbanduhr aussah, tatsächlich aber ein Zweiwege-Kommunikator zwischen ihm und K.I.T.T. war.

“K.I.T.T., sag’ uns durch, wie weit wir von dem... was auch immer entfernt sind,” befahl er.

“Es ist schwer zu sagen, Michael,” antwortete die künstliche Intelligenz. “Ich kann weder Bewegung noch Körperwärme auffangen, aber in etwa 15 Meter Entfernung befindet sich eine seltsame Substanz. Achten sie auf alles Ungewöhnliche!”

“Na, großartig!” murmelte Michael.

Die beiden Männer gingen Seite an Seite weiter in die Höhle hinein. Auch hier drinnen war alles feucht und modrig. Der Boden war relativ eben, die Wände rau und zerklüftet. Die einzigen Geräusche waren ihre Schritte in der vollkommenen Dunkelheit. Nach einigen Metern blieb Declan plötzlich stehen. “Hey, was ist denn das?” sagte er und leuchtete mit seiner Taschenlampe nach unten. Sein rechter Fuß war in einen weißen, zähflüssigen Schleim getreten. Michael ging in die Knie und hielt sein Comlink dicht vor die übel riechende Masse.

“K.I.T.T., ist das die Substanz, die du gemeint hast?”

“Allerdings, Michael. Und jetzt erkenne ich auch, dass sie eindeutig organisch ist. Sie besteht aus Eiweiß, Fett...”

“Knight, sehen sie sich das hier an!” rief Declan erregt und zeigte mit seiner Lampe zur Seite.

Im Lichtstrahl konnte man etwa ein halbes dutzend seltsamer Gebilde erkennen, die wie einen halben Meter große, grünschwarze Eier aussahen und dünn mit dem Schleim bedeckt waren. Declan ging auf das erste der Objekte zu, um es genauer zu studieren.

“Seien sie vorsichtig, Dr. Dunne,” sagte Michael. “Wer weiß, was das ist.”

“Ich habe so etwas noch nie vorher gesehen,” flüsterte Declan und beugte sich über das eiförmige Gebilde. Als das Licht seiner Taschenlampe darauf fiel, öffnete sich das obere Teil langsam, ähnlich einer aufgehenden Blüte.

“Hey, da drin bewegt sich etwas,” sagte Declan fasziniert.

“Jetzt reichts! Weg da!” rief Michael. In genau diesem Moment sprang etwas mit blitzartiger Geschwindigkeit aus dem Ei, mitten in Declans Gesicht. Der Professor hatte noch nicht einmal Gelegenheit, zu schreien. Sich die Hände vor das Gesicht haltend, torkelte Declan umher.

Michael hatte Schwierigkeiten, den Strahl seiner Taschenlampe auf ihn zu richten, doch er konnte erkennen, dass ein bleiches, spinnenartiges Gebilde mitten auf seinem Gesicht saß, dessen Beine sich um Dunnes Kopf und der Schwanz um seinen Hals geschlungen hatten.

“Michael, was geht da vor sich?” wollte K.I.T.T. wissen.

Michael antwortete nicht, sondern versuchte, Declan an der Hand aus der Höhle zu zerren, doch der Professor fiel plötzlich wie ein nasser Sack um und rührte sich nicht mehr.

“Verdammt!” murmelte Michael. Er hielt sein Comlink über Dunne. “K.I.T.T., was ist mit ihm los?”

“Dieses... Wesen hat eine Art Röhre in seinen Hals eingeführt und... Michael, Vorsicht! Hinter ihnen bewegt sich etwas!”

Erschrocken fuhr Knight herum. Der Strahl aus seiner Lampe offenbarte ein Antlitz, das direkt aus der Hölle zu kommen schien: ein schwarzer, lang gezogener Schädel ohne sichtbare Augen, dafür jedoch mit einem gewaltigen, Schleimtriefenden Kiefer ausgestattet, der warnend zischte. Michael war schon über eins neunzig groß, doch dieses Monster überragte ihn um ein gutes Stück. Und es bewegte sich auf ihn zu. Knight drehte sich um und rannte. Er rannte, wie er es noch nie in seinem Leben getan hatte. Trotz seiner 53 Jahre war er in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und wäre so manchem Jüngeren davongerannt. Doch dieses Wesen war kein Mensch. Was immer es war, es nahm die Verfolgung auf und legte dabei eine Geschwindigkeit zu tage, die nahezu unglaublich war. Schon nach wenigen Sekunden hatte es Knight eingeholt. K.I.T.T. fühlte sich völlig hilflos. Es war ihm physisch unmöglich, zu seinem Partner zu gelangen, genauso wie es ihm nicht möglich war, aus der Entfernung heraus eine seiner zahlreichen technischen Spezialfunktionen einzusetzen. Seine Sensoren konnten die grausamen Vorgänge nur beobachten. Michael Knight war nur noch wenige Meter vom Höhlenausgang entfernt, als er hinter sich ein Geräusch hörte, das ihn an das Abschießen eines Bolzens erinnerte. Das letzte, was er spürte, war, wie der ausgefahrene Kiefer des Monsters in seinen Hinterkopf drang. Sekundenlang war K.I.T.T. wie gelähmt. Dann aktivierte er die Satellitenkommunikationsanlage und funkte Bonnie Barstow an. Als sich die Mitarbeiterin der Foundation meldete, sagte K.I.T.T.:

“Michael ist tot!”

Vier Tage zuvor: Oregon, Sonntag, 28. April 2002, 03:47 Uhr

Kein menschliches Auge erblickte den Feuerball, der schneller als ein abstürzendes Flugzeug die Atmosphäre durchdrang und in einem Wald in der Nähe von Portland niederging. Kein menschliches Ohr vernahm das dröhnende Bersten von Metall, als das unbekannte Flugobjekt auf der Oberfläche aufschlug. Dann herrschte wieder Stille.

Oregon, Sonntag, 28. April 2002, 04:43

Das Spezialistenteam, kombiniert aus Mitarbeitern der Air Force und der NASA, bestand aus 18 Männern und Frauen. Ohne Aufsehen zu erregen, waren sie unbemerkt zur Aufschlagstelle vorgedrungen. Sie hatten zwei Laborfahrzeuge mit jeweils drei Wissenschaftlern dabei, einen Truppentransporter mit zehn Soldaten und einen Geländewagen, in dem Bruce Dawson, Captain der US Air Force, und Dr. Kristina Farrell von der NASA-Einsatzleitung saßen. Nahezu routinemäßig hatten sie das Wrack umringt und vor eventuellen neugierigen Blicken abgeschirmt. Doch nichts deutete darauf hin, dass irgendjemand in dem Wald unterwegs war. Das war gut so, denn Zeugen waren das letzte, was sie hier gebrauchen konnten.

“Die hälfte meiner Männer hat die Absturzstelle gesichert, die andere hälfte wartet auf weitere Befehle,” berichtete Captain Dawson. Der Offizier war Anfang vierzig, athletisch, dunkelhaarig, groß und sah sehr gut aus, wie Dr. Farrell fand. Doch ihr Interesse nahm ab, als sie den Ehering an seinem Finger entdeckte.

“Gut,” antwortete sie. “Ich habe meine Radiologen und Exobiologen schon mal vorgeschickt, um das Wrack mit ihren Sensoren zu untersuchen. Wie es aussieht, ist es in drei Teile zerbrochen.”

Captain Dawson sah der Wissenschaftlerin nach, wie sie in Richtung Wrack ging. Er schätzte sie auf Anfang dreißig. Wäre er nicht schon verheiratet gewesen, hätte er nach dem Einsatz vielleicht mit ihr geflirtet. Sie hatte eine sehr gute Figur, war groß und blond, und hinter ihrer modischen Brille leuchteten zwei strahlend blaue Augen. Dies war ihr erster Einsatz zusammen. Überhaupt war das der erste echte Einsatz bezüglich eines UFO-Absturzes für ihn und sein Team. Bisher hatten sie den Ernstfall nur geübt. Er nahm an, dass dies auch für Dr. Farrell galt. Große Scheinwerfer beleuchteten die immer noch qualmenden Wrackteile. Das Hüllenmetall - falls es Metall war - war beim Aufprall dermaßen verformt worden, dass man das ursprüngliche Aussehen des Flugobjektes nur erahnen konnte. Es hatte eine Gesamtlänge von etwa dreißig Metern und hatte im Grunde die Form einer flachen Röhre, die am vorderen Ende spitz zulief. Zwischen den drei Hüllenteilen war genug Platz, dass Dr. Farrell, Captain Dawson sowie die Wissenschaftler und die fünf Soldaten gemeinsam die unheimlichen Objekte untersuchen konnten. Die dreizehn Leute waren noch nicht lange in dem Objekt verschwunden, als die Soldaten, die am Waldrand die Absturzstelle sicherten, plötzlich Schreie aus dem Innern der Wrackteile hörten. Immer mehr Menschen schrieen auf wie am Spieß; dazu gesellten sich die Feuerstöße aus den automatischen Gewehren der Soldaten. Die fünf Wachen rannten mit entsicherten Gewehren auf das Wrack zu. Dr. Kristina Farrell kam ihnen blutüberströmt entgegengewankt.

“Nicht hineingehen!” schrie sie. Aus dem UFO drangen schreckliche Geräusche, deren Ursprung sich die Hartgesottenen Marines nicht einmal vorstellen wollten.

Dr. Farrell fiel zu Boden, nur einen halben Meter vor dem Eingang zum Wrack entfernt. Von drinnen hallten immer noch Schreie und Schüsse, durchdrungen von diesen unheimlichen Geräuschen. Plötzlich griff etwas nach Dr. Farrells Fußgelenk und riss sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit wieder ins Innere des Wracks. Den Soldaten standen die Haare zu Berge.

“Wir sollten hineingehen und ihnen helfen,” sagte Lieutenant Gibson, ein junger Kerl Anfang zwanzig. “Das sind schließlich unsere Kameraden.”

“Hast du nicht gehört, was die NASA-Frau gesagt hat? Möchtest du vielleicht dem begegnen, was sie da reingezogen hat?” entgegnete Lieutenant Sanchez, der schon einige Dienstjahre mehr auf dem Buckel hatte. “Nein, wir fordern Verstärkung an. Passt solange auf, dass nichts entwischt, was immer es ist!”

Sanchez rannte auf den Jeep des Captains zu, um das Funkgerät zu benutzen. Er war noch nicht weit gekommen, als er weitere Gewehrschüsse hörte, diesmal näher. Als er sich umdrehte, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Seine Kameraden feuerten aus allen Rohren auf seltsame... Dinge, die sich im Scheinwerferlicht so schnell bewegten, dass sie gar nicht richtig zu erkennen waren. Sie waren groß, sehr groß. Einer nach dem anderen seiner Kameraden fiel im Kampf gegen die unheimlichen Wesen. Der Anblick war auf schreckliche Weise faszinierend, so dass sich Lieutenant Sanchez davon losreißen musste. Er rannte weiter auf den Jeep zu. Er hatte gerade das Fahrzeug erreicht und wollte nach dem Funkgerät greifen, als er hinter sich ein schreckliches Fauchen hörte. Vor Panik fast gelähmt, drehte er sich langsam um. Das letzte, was er vor seinem abrupten Tod sah, war schlimmer, als sein schlimmster Alptraum je hätte sein können.

 

Oregon, Sonntag, 28. April 2002, 06:55 Uhr

Die Sonne war schon seit einiger Zeit über der Absturzstelle aufgegangen, als zwei Hubschrauber der Air Force neben den Wracks landeten. Aus dem einen, größeren der beiden Flugzeuge sprangen zwölf Schwerbewaffnete Soldaten, die sofort ausschwärmten, um die Umgebung zu untersuchen. Aus dem kleineren Helicopter stiegen drei Männer und eine Frau aus, alle in den gleichen Uniformen wie die Soldaten gekleidet, und gingen sofort auf das Wrack zu. Den Neuankömmlingen bot sich ein grauenhaftes Bild. Überall lagen die verstümmelten Leichen des ersten Untersuchungsteams herum. Der Boden war übersät mit Patronenhülsen. Hier hatte ein verzweifelter Kampf stattgefunden. Die Fahrzeuge waren jedoch alle unbeschädigt.

“Was, um alles in der Welt, kann so etwas anrichten?” fragte der Anführer der Gruppe, Colonel Jack O’Neill. Der grauhaarige Endvierziger ließ seinen Blick über das Bild der Verheerung schweifen und sah dann zu dem Mann zu seiner Rechten hinüber.

Der muskulöse Schwarze mit der seltsamen goldfarbenen Tätowierung auf seiner Stirn begegnete dem Blick seines Vorgesetzten. “Ich habe keine Ahnung, Colonel,” sagte er leise. “Auch dieser Schiffstyp ist mir unbekannt.” Teal’c war zwar ein Mensch, jedoch war er nicht auf der Erde geboren worden. Seine Vorfahren waren vor vielen tausend Jahren von Außerirdischen, die sich selbst Goa’uld nannten, auf hunderte von fremden Planeten entführt worden, um ihren außerirdischen Herren als Sklaven zu dienen. Teal’c war etwas besonderes unter ihnen gewesen, nämlich ein Jaffa. Dabei handelte es sich um eine Kriegerkaste, die junge Goa’uld-Larven in ihrer Bauchhöhle trugen und mit ihnen eine Symbiose eingingen. Die Goa’uld waren eine wurmähnliche Rasse, die zum Überleben menschliche Wirtskörper benötigt. Dafür, dass die Jaffa die Jungen austrugen, kamen sie in den Genuss der enormen Heilkräfte der Würmer, was sie zu idealen Kämpfern und Leibwächtern machte. Doch Teal’c hatte die bösen Absichten seiner Herren durchschaut und war mit Hilfe von Colonel O’Neills Team, dem Stargate-Kommando SG-1, von seiner Heimatwelt geflohen. Im Laufe der Jahre war es ihnen sogar gelungen, die Goa’uld im Kampf schwer anzuschlagen und Millionen von Menschen auf fernen Planeten zu befreien. Dazu hatten sie die Stargate-Technologie benutzt, die auf Sternentoren basierte, die auf jedem Goa’uld-Planeten vorhanden waren. Man schritt einfach hindurch und befand sich auf einem anderen Planeten. Auf diese Weise hatte das Team schon eine große Anzahl außerirdischer Rassen getroffen, doch keine von ihnen benutzte einen Raumschifftyp, der dem Wrack ähnelte.

“Auch ich habe so eins noch nie gesehen,” sagte ein junger, muskulöser Mann Anfang dreißig. Jonas Quinn war auch als außerirdischer Mensch zum Team gestoßen, doch er war kein Jaffa. Er gehörte noch nicht lange dazu, hatte sich aber bisher schon oft als sehr nützlich erwiesen.

“Wir sollten uns das Innere des Wracks einmal ansehen,” meinte Major Samantha Carter. Die blonde Frau war Mitte dreißig und sah gut aus, wenngleich man sie wohl als herbe Schönheit bezeichnen würde.

“Richtig. Auf geht’s!” sagte O’Neill und gab den Soldaten das Zeichen zum Sammeln. Dann entsicherte er sein automatisches Sturmgewehr und ging auf das Wrack zu. Sein Team tat es ihm gleich.

“Lassen sie mich vorgehen, Colonel,” sagte Teal’c, der seine Stabwaffe entsichert hatte, die Hauptwaffe eines jeden Jaffa.

O’Neill nickte seinem Freund zu. Es war ihm wohlbekannt, dass die Stabwaffe eine erheblich höhere Vernichtungskraft als Projektilwaffen besaß, da sie Plasmalaser-Energie verschoss. Die Soldaten stießen zum Kommandotrupp.

“Bericht!” sagte Colonel O’Neill zum Truppführer.

“Sir, wir haben seltsame Spuren gefunden, die alle in verschiedene Richtungen in den Wald führen. Keine Überlebenden, Sir.”

“Na, großartig,” murmelte der Colonel.

Das Innere des Wracks war ein wirres Durcheinander von abgebrochenen Hüllenteilen, umherhängenden Kabeln und zerbrochenen Geräten. Die Korridore waren anscheinend für Wesen angelegt, die die gleiche Größe wie Menschen hatten. Allerdings konnten sie keine Leichen finden. Schließlich stießen sie auf einen Hochcomputerisierten Raum, bei dem es sich offensichtlich um die Brücke des Schiffs handelte.

“Sagen euch diese Zeichen ‘was?” wollte O’Neill wissen. Er zeigte mit dem Kinn auf Schriftzeichen, die überall auf den fremdartigen Computerteilen angebracht waren. Alle verneinten.

“Nehmen wir uns das nächste Wrackteil vor,” kommandierte der Colonel.

In der mittleren Sektion des zerstörten Schiffes fanden sie eine Art Frachtraum vor, der aus zerbrochenen, glasartigen Containern bestand. Sie waren fast drei Meter hoch und wohl mit einer Flüssigkeit gefüllt gewesen, deren Reste sich am Boden der Röhren gesammelt hatte. Es gab sechs dieser Behälter.

“Sir,” sagte Major Carter, “ich glaube, dass in diesen Röhren Lebewesen transportiert wurden. Die Flüssigkeit hier schein eine Art Nährlösung gewesen zu sein.”
 

“Und der Absturz hat die Röhren zerbrochen,” schlussfolgerte O’Neill.

“Das heißt, was immer da drin war, hat alle getötet?” überlegte Jonas Quinn.

“Sieht ganz so aus,” antwortete Carter. Aber ich glaube nicht, dass es sich dabei um die Besatzung des Schiffs gehandelt hat. Warum sollten die solch eine Bluttat begehen?”

“Da ist was dran,” entgegnete O’Neill. “Vielleicht war das Schiff sogar unbemannt. Vielleicht war die Fracht so gefährlich, dass niemand mitfliegen wollte...”

Samantha Carter sah mit ernstem Blick zu ihrem Vorgesetzten hinüber. “Sir, wir sollten die Wrackteile abtransportieren und in der Basis genauesten untersuchen. Vielleicht gelingt es uns ja, die Schriftzeichen zu entschlüsseln. Falls es so etwas wie ein Logbuch gibt, erfahren wir bestimmt mehr über die Ladung.”

“Gut,” entgegnete O’Neill. “Ich sage dem General bescheid.”

 

Los Angeles, Kalifornien, Sonntag, 28. April 2002, 23:36 Uhr

Russell Maddock hatte eigentlich nicht so lange arbeiten wollen, doch als Leiter der Foundation For Law And Government hatte er immer mehr Arbeit, als in einem Acht-Stunden-Arbeitstag zu bewältigen war. Er wünschte sich, Devon Miles wäre noch am Leben. Der alte Brite, der ursprüngliche Leiter der FLAG und Vertrauter Wilton Knights, des Gründers der Foundation, wäre zwar längst pensionsberechtigt, aber garantiert noch nicht im Ruhestand gewesen. Sie hätten sich die Arbeit aufteilen können. Sicher, sie hatten oft ihre Meinungsverschiedenheiten gehabt,  doch sie hatten alle am selben Strang gezogen. Maddock vermisste den väterlichen Freund von Michael Knight. Er war vor zwei Jahren von dem Kriminellen Thomas Watts ermordet worden. Michael hatte den Mörder gestellt, der daraufhin selbst zu Tode stürzte. Doch das war nie ein Trost gewesen. Wenigstens hatte Devon Michael Knight noch dazu überreden können, wieder der Foundation beizutreten. Maddock setzte ihn zusammen mit der Ex-Polizistin Shawn McCormick als Team ein. Auch mit Michael, der nur ein paar Jahre jünger war als er, war er schon des Öfteren aneinander geraten, aber so langsam schienen sie sich aneinander zu gewöhnen. Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Maddock fuhr sich mit der Hand über seine Stirnglatze und den Schnurrbart. Wäre er nur früher nach Hause gegangen, dachte er.

“Ja, Maddock!” sagte er leicht gereizt in den Hörer. Doch sein Gesichtsausdruck änderte sich bald. Seine Mimik ging von müde und gereizt zu einem erstaunten Stirnrunzeln über, während er seinem Gesprächspartner aufmerksam zuhörte. Das Telefonat war sehr einseitig, und nach einigen Minuten sagte er nur: “Alles klar. Ich schicke ihn zu ihnen.”

Dann wählte er eine Nummer. Sie würde die Piepser von Michael Knight und Shawn McCormick aktivieren, eine Maßnahme, die nur in einem absoluten Notfall getroffen wurde.

 

Los Angeles, Hauptquartier der Foundation, Sonntag, 28. April 2002, 23:59 Uhr

Maddock blickte zu seiner Bürotür, als Michael Knight und Shawn McCormick eintraten.

“Was zur Hölle ist so wichtig, dass sie uns mitten in der Nacht herzitieren?” wollte Michael wissen. “Ich war gerade dabei, mir das Spiel der Giants anzusehen.”

“Und ich habe schon geschlafen,” bemerkte Shawn kühl. “Hätte das nicht Zeit bis morgen früh gehabt?” Die hübsche Blondine Anfang dreißig war erst seit zwei Jahren bei der Foundation. Damals wurde sie von Komplizen Thomas Watts’ fast getötet. Nur einer von K.I.T.T.s Computerchips, der ihr ins Gehirn transplantiert worden war, hatte ihr Leben retten können. Seitdem waren sie und Michael ein Team.

Maddock gestikulierte ihnen, sich hinzusetzen und schenkte beiden eine Tasse Kaffee ein.

“Es ist wirklich wichtig. Wir haben Anweisungen von ganz oben,” erklärte er.

“Die Foundation ist eine private Organisation. Wir brauchen keine Befehle von der Regierung anzunehmen,” unterbrach ihn Michael, während er zur Kaffeetasse griff.

“Das ist mir bekannt, aber wollen sie dem Präsidenten der Vereinigten Staaten eine Bitte abschlagen?”

“Dem Präsidenten?” fragte Shawn ungläubig. Michael stoppte die Tasse kurz vor seinem Mund und sah Maddock verblüfft an.

“Ich sagte doch, es kommt von ganz oben. Sie müssen sofort aufbrechen.”

“Heißt das, man hat speziell uns angefordert?” wollte Michael wissen.

“Nun, um genau zu sein,” antwortete Maddock langsam und zog eine Augenbraue hoch, “hat man nicht sie beide sondern K.I.T.T. angefordert.”

Shawn und Michael waren nun völlig perplex. Sie konnten sich beim besten Willen nicht erklären, wieso der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika die Hilfe von K.I.T.T. benötigen sollte.

“Ich werde K.I.T.T. der Regierung aber nicht einfach so ausleihen. Sie beide begleiten ihn und passen auf, dass die Interessen der Foundation gewahrt bleiben, verstanden?”

“Wo sollen wir hinfahren?” fragte Michael.

“Begeben sie sich zum Militärflughafen in Van Nuys. Dort wird sie ein Regierungsflugzeug erwarten.”

“Wo geht die Reise hin?” wollte Shawn wissen.

“Das hat man mir nicht gesagt,” entgegnete Maddock. “Es muss wohl top secret sein!”

 

Van Nuys, Kalifornien, Montag, 29. April 2002, 00:37 Uhr

K.I.T.T. kam am Militärflughafen an. Hinter seinem Steuer saß Michael, daneben Shawn. Die ganze Fahrt über hatten sie darüber spekuliert, um was es wohl ging. Doch keiner der dreien konnte sich so recht einen Reim darauf machen. Am Eingang wurden ihre Ausweise kontrolliert, dann sollten sie einem Jeep folgen, der sie zu einer großen Frachtmaschine lotste. Die Heckklappe war heruntergelassen. Man sagte Michael, er solle K.I.T.T. in das Flugzeug manövrieren, was er auch tat. Kaum befanden sie sich im Bauch des Kolosses, startete er auch schon. Während des Fluges war aus der Besatzung des Flugzeuges kein Sterbenswörtchen herauszubekommen, wo das Ziel ihrer Reise lag.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Montag, 29. April 2002, 05:31 Uhr

Nach ihrer Landung auf einem weiteren Militärflughafen, wurden die FLAG-Mitarbeiter von Air-Force-Offizieren in einem Jeep abgeholt, dem sie wiederum folgen sollten. Mittlerweile war allen klar geworden, dass sie sich in Colorado befanden. Die Sonne ging gerade auf, als sie dem Jeep durch eine herrliche, bewaldete Gebirgslandschaft folgten, bis sie erneut auf militärisches Sperrgebiet trafen. An dem Schwerbewachten Eingang wurden sie erneut kontrolliert und folgten dann wiederum dem Jeep. Sie gelangten zu einem riesigen Tunneleingang, der anscheinend tief in einen Berg hineinführte. Über dem Eingang prangte ein gewaltiges Schild mit der Aufschrift “Cheyenne Mountain Complex”. Michael und Shawn kam das alles sehr geheimnisvoll vor, aber das war es auch wohl - streng geheim! Nachdem sie ein Stück in den Tunnel hineingefahren waren, hielt der Jeep schließlich an. Die beiden Offiziere sprangen heraus und kamen auf K.I.T.T. zu. Durch das heruntergelassene Seitenfenster sagte einer der Offiziere zu Michael: “Sir, fahren sie ihren Wagen bitte dort vorne in den Frachtaufzug hinein.”

“Alles klar,” antwortete Michael und sah zu Shawn hinüber, die ratlos das Gesicht verzog.

Knight steuerte K.I.T.T. wie geheißen in den großräumigen Lift.

“Michael, was mögen die mit mir vorhaben?” fragte K.I.T.T. fast schon etwas ängstlich?

“Keine Ahnung, Kumpel, aber mach dir keine Sorgen - Shawn und ich passen schon auf dich auf.”

Kaum hatten die Fahrstuhltüren sich hinter ihnen geschlossen, setzte sich die massive Kabine auch schon in Bewegung. Es ging eindeutig abwärts, und zwar ziemlich schnell. Trotzdem dauerte es fast eine halbe Minute, bis der Aufzug zum Stillstand kam und sich die Türen vor K.I.T.T.s Front öffneten. Michael ließ K.I.T.T. langsam vorwärts rollen. Sie fuhren in eine gewaltige unterirdische Halle, die voll war von Militärfahrzeugen aller Art, technischem Personal und Schwerbewaffneten Soldaten. An drei verschiedenen Seiten führten weitere, kleinere Tunnels in den Berg hinein. Ein Uniformierter wies sie an, in einen der Tunnel hineinzufahren. Der schwarze Pontiac kam schließlich vor einem großen Panzerschott zum Stehen. Ein weiterer Soldat bat die Insassen, auszusteigen und ihm zu folgen. Michael und Shawn gehorchten, aber Knight flüsterte K.I.T.T. noch zu: “Schalt’ ..”

“Schalt’ auf Überwachung,” unterbrach ihn K.I.T.T. “Oh, ja, Michael, das hätte ich sowieso getan. Mir ist das alles hier nicht geheuer.”

“Mir auch nicht, Kumpel,” antwortete Knight, “mir auch nicht.”

Die beiden FLAG-Mitarbeiter folgten dem Soldaten in einen geräumigen Besprechungsraum, in dem schon mehrere Personen auf sie zu warten schienen.

Ein korpulenter Uniformierter mit Glatze, etwa sechzig Jahre alt, kam auf die beiden zu und reichte er Shawn, dann Michael leicht lächelnd die Hand.

“Willkommen im Cheyenne Mountain Complex. Ich bin General George Hammond, der Leiter dieses Stützpunktes. Miss McCormick, Mr. Knight.”

Der General bat sie, am Konferenztisch Platz zu nehmen, an dem drei weitere Personen saßen. Er stellte sie ihnen nacheinander vor.

“Dies ist Colonel Jack O’Neill, Teal’c und Jonas Quinn. Sie ermitteln in dieser Angelegenheit, zusammen mit Major Carter, die ich ihnen nachher vorstellen werde.”

“Welche Angelegenheit meinen sie eigentlich?” fragte Shawn geradeheraus. “Soviel Geheimniskrämerei habe ich noch nie erlebt!”

“Richtig! Und was hat K.I.T.T. mit der ganzen Sache zu tun?” wollte Michael wissen. “Da es ihn betrifft, haben sie etwas dagegen, wenn er per Comlink an unserem Gespräch teilnimmt?” Nicht, dass Michael die Erlaubnis des Generals abgewartet hätte - er hatte das Comlink die ganze Zeit über eingeschaltet gelassen.

Colonel O’Neill sah Michael irritiert an. “Sie reden vom Knight 2000, als wäre es eine lebende Person!”

“Wissen sie,” entgegnete Michael, “ich habe viele Jahre mit K.I.T.T. zusammengearbeitet. In dieser Zeit haben wir uns gegenseitig mehrmals das Leben gerettet. Er sieht vielleicht nicht aus wie sie oder ich, aber: Ja, er ist eine lebende Person!”

“Danke, Michael,” konnte man K.I.T.T.s Stimme aus dem Comlink an Knights Handgelenk vernehmen.

“Ist doch selbstverständlich, Partner!” betonte Michael.

O’Neill blickte etwas verlegen drein, doch ehe er etwas erwidern konnte, sagte Jonas: “Ich freue mich schon darauf, diesen K.I.T.T. kennen zu lernen.” Shawn lächelte Jonas zu. Sie waren etwa im gleichen Alter, und er gefiel ihr  durchaus. Außerdem hatte er gerade Pluspunkte gemacht, da er K.I.T.T. gegenüber anscheinend eine unvoreingenommene, freundliche Einstellung hatte.

“Natürlich kann K.I.T.T. an unserem Gespräch teilnehmen,” beantwortete General Hammond Michaels Frage. “Schließlich betrifft es ihn ja hauptsächlich. Doch bevor ich ihnen erzähle, um was es hier geht, muss ich sie darauf hinweisen, dass alles, was sie hier sehen und was hier gesagt wird, strengster Geheimhaltung unterliegt. Als Bürger der Vereinigten Staaten sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet.”

“Kein Problem,” erwiderte Michael.

“Keine Sorge, General,” ergänzte Shawn.

“Obwohl ich wohl kein Bürger der Vereinigten Staaten bin, gilt das gleiche dennoch auch für mich, General Hammond,” erklärte K.I.T.T. feierlich. Michael und Shawn sahen sich grinsend an.

Leicht irritiert fuhr der General fort: “Gestern Nacht ist ein außerirdisches Raumschiff in der Nähe von Portland, Oregon, abgestürzt. Nun waren Shawn und Michael irritiert. “Was?” fragten sie fast gleichzeitig. Das kam jetzt doch etwas zu plötzlich für sie. Nicht im Traum hätten sie damit gerechnet, dass es um ein UFO ging. Was hatte das alles mit K.I.T.T. zu tun? Hammond ignorierte den ungläubigen Gesichtsausdruck seiner Gäste. “Das Raumschiff hatte - wie wir annehmen - eine Ladung gefährlicher Lebensformen an Bord, die sich durch den Absturz befreien konnten und bereits 18 Menschen getötet haben.” Michael und Shawn waren sprachlos. Gebannt lauschten sie General Hammonds weiteren Ausführungen.

“Unser dringlichstes Ziel ist es, diese Lebensformen wieder einzufangen, bevor sie weiteren Schaden anrichten. Wir glauben, dass uns die elektronischen Aufzeichnungen des Schiffscomputers dabei helfen könnten. Das Problem ist nur, dass wir die Sprache nicht entschlüsseln können.”

“Und sie glauben, K.I.T.T. kann das?” warf Michael ein.

“Nun, unsere Computerspezialistin Major Carter hat herausgefunden, dass der Bordcomputer wohl eine künstliche Intelligenz besitzt. Bei der Suche nach vergleichbaren KIs sind wir auf den Knight 2000 der Foundation gestoßen. Er ist der fortgeschrittenste Computer der Erde. Wir denken, dass er uns bei der Lösung helfen könnte. Der Präsident hat uns grünes Licht gegeben.”

“Tja, wenn das so ist,” entgegnete Michael. “K.I.T.T., was hältst du davon?”

“Das klingt alles sehr interessant, Michael. Ich würde gerne versuchen, mit dieser außerirdischen künstlichen Intelligenz in Kontakt zu treten.”

 “Also, los dann!” sagte Michael.

Die sechs Personen erhoben sich von ihren Sesseln und verließen den Konferenzraum. Sie gingen den Korridor entlang, bis sie wieder auf K.I.T.T. trafen. Während der General keine Miene verzog, hob Teal’c eine Augenbraue.

 “Wow, scharfes Teil!” rief Colonel O’Neill.

“Das nehme ich jetzt mal als Kompliment,” erwiderte K.I.T.T. trocken.

“Hallo, K.I.T.T.! Ich bin Jonas Quinn,” sagte der junge Mann und legte eine Hand auf die Motorhaube des schwarzen Sportwagens.

“Sehr angenehm, Mr. Quinn,” antwortete K.I.T.T.

“Nenn’ mich einfach Jonas.”

“Gerne, Jonas.”

Auf ein Zeichen des Generals hin wurde das Panzerschott vor K.I.T.T. geöffnet. Dahinter verbarg sich eine weitere riesige Halle, in der drei Schwerbeschädigte Wrackteile aufgebaut waren. Dutzende von Wissenschaftlern untersuchten die Teile. Als die Gruppe zusammen mit K.I.T.T., der auf Autopilot geschaltet hatte, die Halle betrat, sah eine der Wissenschaftlerinnen zu ihnen herüber, die gerade an einer Computerkonsole arbeitete. Die junge Frau mit den kurzen, blonden Haaren kam lächelnd auf sie zu. “Guten Morgen. Ich bin Major Samantha Carter,” stellte sie sich vor, während sie Michael und Shawn die Hand schüttelte, die sich ihrerseits vorstellten.

“Und du bist dann wohl K.I.T.T.,” sagte sie zu dem Pontiac.

Offensichtlich,” antwortete dieser. “Wo ist denn ihr ‘Patient’?”

Sam schmunzelte. Diese KI hatte doch tatsächlich Humor, dachte sie. Sie zeigte auf die Konsole, an der sie gerade gearbeitet hatte.

“Dort drüben. Ich habe eine Verbindung zwischen dem Bordcomputer und dieser Konsole angelegt. In den letzten paar Stunden haben wir alles mögliche versucht, aber bisher vergeblich.”

“Lassen sie mal sehen,” antwortete K.I.T.T., während er auf die Konsole zurollte. Einige der Wachen zuckten leicht zusammen, als sich der Wagen von alleine in Bewegung setzte und beobachteten das Geschehen misstrauisch.

K.I.T.T. wählte sich in den Computer der Basis ein und sichtete die Informationen. Nach nur wenigen Sekunden erklärte er: “Ich sehe, wo ihr Problem liegt, Major Carter. Dieser außerirdische Computer basiert auf einem völlig anderen Denkmuster als dem menschlichen. Er erscheint mir so fremdartig, wie ihnen diese seltsamen Lebensformen wohl vorkommen müssen.”

“Was schlägst du also vor?” fragte Carter.

“Es könnte helfen, wenn Michael und Shawn sich einmal im Wrack selbst umschauen, besonders in dem Teil, in dem sich der Bordcomputer befindet. Über ihre Comlinks erfahre ich vielleicht mehr.”

Michael und Shawn sahen General Hammond fragend an. Der nickte und meinte: “Gehen sie nur!” In Begleitung von Colonel O’Neill, Jonas und Teal’c betraten Shawn und Michael das vordere Wrackteil. Sie staunten über die fremdartige Technologie. Über ihre aktivierten Comlinks scannte K.I.T.T. das komplette Innere des Wracks. Als sie die Brücke betraten, lud sich K.I.T.T. eine Live-Videoaufzeichnung über die Comlinks in seine Datenbank, um den fremden Computer auch visuell untersuchen zu können. Nach einer kurzen Weile sagte er: “Danke, Michael und Shawn. Sie können wieder herauskommen. Ich habe alle Daten, die ich benötige.” Nachdem die kleine Gruppe wieder zu Sam Carter gestoßen war, ließ K.I.T.T. die Katze aus dem Sack: “Mit ihren bisher ausgewerteten Daten kann ich ebenso wenig wie sie anfangen, Major Carter. Ich sehe allerdings eine Möglichkeit, die uns weiterbringen könnte. Ich müsste eine direkte Verbindung zu dem außerirdischen Computer eingehen. Dazu müssten bestimmte Teile meines Hauptprozessors gegen Teile des anderen Computers ausgetauscht werden und umgekehrt.” Carter rollte mit den Augen. “Puhh, das wird ganz schön knifflig werden.”

“Das ist mir klar. Sie werden es nicht ohne die Hilfe von Dr. Bonnie Barstow schaffen,” erklärte K.I.T.T.

“Wer ist Dr. Barstow?” wollte O’Neill wissen.

“Sie gehört zu dem Team, das K.I.T.T. entwickelt hat. Sie ist die einzige Spezialistin für den Knight 2000 beziehungsweise 4000,” erwiderte Michael. “Sie ist die beste!”

“Na, dann lassen wir sie sofort einfliegen,” sagte General Hammond.

 

Oregon, Montag, 29. April 2002, 08:01 Uhr

Es war Ward Randalls erster Urlaubstag. Der Besitzer einer Autolackiererei in Gresham, einem Vorort von Portland, freute sich schon seit Wochen darauf. Die Geschäfte waren in letzter Zeit gut gewesen, so dass er noch eine Hilfskraft einstellen konnte. Nachdem diese eingearbeitet war, hatte er jetzt drei Arbeiter im Laden, die ihn durchaus auch einmal eine Woche vertreten konnten. Ward, ein übergewichtiger Mann Mitte vierzig mit Vollbart, war ein leidenschaftlicher Jäger. Als er noch verheiratet war, hatte ihn Marge, seine Frau, immer damit genervt, er solle gefälligst aufhören, auf wehrlose Tiere zu schießen. Aber jetzt war er geschieden, und seine Tochter Tiffany war erwachsen und lebte bei ihrer Mutter. Sie hatten zwar noch alle paar Wochen Kontakt, aber seinen Urlaub wollte er allein verbringen. Nun, nicht ganz allein. Denn jeder erfahrene Jäger weiß, dass man nicht völlig allein im Wald umherstapfen sollte. Man brauchte nur einmal zufällig einem Braunbären zu begegnen, und schon standen die Chancen schlecht - für den Jäger, wohlgemerkt. So kam es, dass er auch bei diesem Jagdausflug seinen alten Schulfreund Elam Caine dabei hatte. Elam war im Grunde ein Nichtsnutz, ein arbeitsloser Säufer, der viel zu faul für irgendeine anständige Arbeit war. Aber für die Jagd konnte er sich immer wieder begeistern. Im Abstand von etwa fünfzehn Metern durchstreiften die beiden Männer den morgendlichen Wald. Die Vögel sangen und die letzten Schwaden Bodennebel lösten sich auf. Sie kamen nun in einen dunkleren, weil Dichtbewachsenen Teil des Waldes. Erst später sollte Ward auffallen, dass man hier keine Vögel hörte.

“Hey, Ward!” hörte er Elam rufen. “Komm mal her, schnell!”

“Was gibts denn?” rief er zurück, während er zu seinem Kumpel lief. Kurz darauf hatte er Caine erreicht. Wie immer trug der ungepflegt aussehende Mann, der nur etwa die Hälfte von Ward wog, seine verdreckte Latzhose und seine Baseballmütze. Mit seinem doppelläufigen Jagdgewehr zeigte er auf etwas weiter vorne.

“Was zum Teufel ist...” sagte Ward, während er zusammen mit Elam zu dem Ding ging.

“Ich werd’ verrückt, Ward, das is’ ‘n Braunbär!” rief der dünne Mann erschrocken.

“Aber was sollte ‘nen Braunbären so zurichten? Das Vieh ist bestimmt acht Fuß groß!”

Vor ihnen lag der scheußlich verstümmelte Kadaver eines riesigen Braunbären. Sein Körper wurde förmlich zerfetzt. Ward beugte sich über den Kadaver.

“Die Wunden sind noch frisch. Kann noch nicht lange her sein. Das war wohl ‘n noch größerer Brauner, denke ich mal.”

“Noch größer?” fragte Elam Caine skeptisch. “’nen größeren hab ich hier noch nie gesehen. Irgendwie is’ mir das unheimlich. Las uns das lieber dem Ranger melden.”

“Das können wir später immer noch. Aber stell dir mal vor, wie wir dastehen, wenn wir den Großen abschießen! Das soll uns dann erstmal einer nachmachen. Elam, was ist?”

Elam Caine sah angsterfüllt in den Wald hinein, wo es am dunkelsten war.

“Ich würde schwören, da hinten hat sich ‘was bewegt,” sagte er nervös.

“Gut, das wird der andere Bursche sein,” erwiderte Ward und legte seine Flinte an. “Wo hast du ihn gesehen?”

Elam zeigte auf einen Punkt im Wald, wo sich jetzt tatsächlich einige Äste bewegten.

“Da drüben, aber...” stammelte Elam.

Als sich die Äste teilten, wurde den beiden Männern klar, dass das, was da mit der Geschwindigkeit einer Lokomotive auf sie zugerannt kam, alles andere als ein Braunbär war. “Scheiße!” riefen beide gleichzeitig und feuerten auf das Ding. Ihre Schrotladungen prallten von der Haut des Wesens ab, ohne es auch nur für einen Sekundenbruchteil zu stoppen. Dann war es mitten unter ihnen und zerriss die beiden Jäger bei lebendigem Leib.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Montag, 29. April 2002, 13:40 Uhr

Das FLAG-Team war wieder zusammen mit dem SG-1-Team in der Hangarhalle, nachdem sie zusammen zu Mittag gegessen hatten. In der Kantine waren noch eine ganze Anzahl anderer Soldaten gewesen, die alle das “SG-”-Abzeichen auf den Schultern trugen.

“Was bedeutet eigentlich SG-1?” fragte Michael Colonel O’Neill, der ihm gegenüber saß.

Der Colonel unterbrach kurz sein Essen, um Michael bedeutungsvoll anzusehen. “Das ist geheim, sorry.” Knights Frage hatte die Aufmerksamkeit der anderen an ihrem Tisch auf sich gezogen. Quinn, Teal’c, Carter und Shawn sahen zu den beiden herüber.

“Wir stehen sowieso schon unter einem Verschwiegenheitseid, also können sie es uns genauso gut auch erzählen,” argumentierte Michael.

“Was SG-1 bedeutet, hat nichts mit dem Wrack zu tun,” antwortete O’Neill und aß weiter.

“Irgendwie glaube ich das nicht,” bohrte Knight weiter. “Ihre Einheit ist offensichtlich dazu da, solche Vorfälle zu untersuchen. Major Carter kennt sich mit Quantenphysik aus und Teal’c hat schon einen etwas merkwürdigen Kopfschmuck.”

Bei dieser Bemerkung hob Teal’c seine Augenbraue, ein typisches Charakteristikum, wie Michael schon aufgefallen war.

“Das ‘S’ könnte für ‘space’ oder ‘star’ stehen,” spekulierte Michael weiter, “und das ‘G’ für ‘guard’ zum Beispiel.”

O’Neill verzog das Gesicht. “Klar, wir sind die ‘Space Guard’ und Teal’c kommt vom Planeten Melmac.” Shawn lachte leise. Jonas Quinn und Major Carter grinsten, während Teal’c erneut die Augenbraue hochzog. “Melmac?” fragte er. O’Neill sah zu ihm hinüber und schüttelte den Kopf. Michael verzog das Gesicht, weil er sich veralbert vorkam.

“Vergessen sie’s Knight,” sagte O’Neill. “Wir werden ihnen nicht mehr erzählen als sie unbedingt wissen müssen. Belassen wir’s dabei, okay?”

Es war zwar nicht okay für Michael, doch er beließ es wirklich dabei - vorerst. Nun, da sie wieder bei den Wrackteilen standen, beobachtete er die anderen. Shawn schien sich sehr gut mit Jonas Quinn zu unterhalten, während Major Carter mit K.I.T.T. die Daten durchging. Teal’c schaute ihnen dabei zu, sagte aber kaum etwas. Und Colonel O’Neill sah sich die Wrackteile genauer an - zum zigsten mal. Offensichtlich war dies ein eingespieltes Team, das so etwas nicht zum ersten mal tat. Und diese gesamte unterirdische Basis schien dafür ausgelegt zu sein, außerirdische Flugobjekte zu beherbergen und zu erforschen. Michael überlegte gerade, ob er sich heimlich davonstehlen sollte, um ein wenig den Stützpunkt zu erforschen, als er seinen Namen hörte. Er drehte sich zum Eingang der Halle um und lachte, als er die Person erkannte, die gerade in Begleitung von General Hammond hereingelaufen kam. Sie war groß und brünett und sah trotz der Tatsache, dass sie Ende vierzig war, noch sehr attraktiv aus. Sie trug einen cremefarbenen Hosenanzug, der ihre schlanke Figur betonte.

 “Bonnie!” rief er zurück und lief auf sie zu.

Die anderen drehten sich ebenfalls um und sahen zu, wie Michael die Frau in die Arme nahm und sie fest drückte. Die beiden küssten sich auf die Wangen und kamen Arm in Arm auf sie zugeschlendert.

“Hallo, Bonnie,” begrüßte sie Shawn und stellte sie dann dem SG-1-Team vor.

“Wieso sind alle intelligenten Frauen so hübsch?” flaxte O’Neill, als er Bonnie die Hand schüttelte, dabei aber einen Seitenblick auf Samantha Carter warf, die schüchtern lächelnd wegschaute.

“Bonnie!” rief K.I.T.T. “Schön, sie wieder zu sehen.”

“Das beruht auf Gegenseitigkeit, K.I.T.T.,” antwortete sie. “Na, dann klärt mich mal auf, was ich hier soll.”

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Montag, 29. April 2002, 22:26 Uhr

Seit Stunden nun arbeiteten Bonnie, K.I.T.T. und Major Carter an ihrem Projekt. Anscheinend kamen sie - wenn überhaupt - nur sehr schleppend voran. Michael und Shawn hatten sich mit dem mysteriösen Teal’c und dem scheinbar naiven Jonas unterhalten, als Colonel O’Neill zu ihnen kam.

“Leute,” sagte er zu Jonas und Teal’c gewandt, “wir können hier nichts mehr tun. Wir stehen den Experten nur im Weg ‘rum. Haut euch aufs Ohr. Das gleiche gilt für sie, Knight, und Miss McCormick.”

Teal’c nickte stumm und sagte nur “gute Nacht,” dann verließ er den Hangar. Jonas drückte Shawn lächelnd die Hand und verabschiedete sich auch für die Nacht.

“Ich denke, sie haben recht, Colonel,” sagte Michael. “Shawn und ich haben seit über 24 Stunden nicht mehr geschlafen.”

“Ja, ich könnte eine Mütze voll Schlaf gut vertragen,” steuerte ihm Shawn bei.

“Gut,” antwortetet O’Neill. “Kommen sie mit - ich zeige ihnen ihre Quartiere.”

Der Colonel führte sie durch einige Korridore, die teils mit mysteriösen Buchstaben und Zahlenkombinationen versehen waren. Michael machte sich gar nicht erst die Mühe, nach deren Bedeutung zu fragen. Ihre Unterkünfte bestanden aus spartanischen Betonzellen, die ein typisches Militär-Feldbett, einen Kasernentisch, -stühle, und -spind enthielten. Die sanitären Anlagen befanden sich einen Tunnel weiter. Nachdem sich O’Neill verabschiedet hatte, schlief Shawn sofort ein. Michael dagegen grübelte noch weiter über die Ereignisse nach, doch schon bald übermannte auch ihn der Schlaf.

 

Oregon, Dienstag, 30. April 2002, 01:39 Uhr

Das Zelt von Jake und Brad war das einzige auf dem Waldzeltplatz. Um diese Jahreszeit gab es hier kaum Camper, was den beiden Studenten auch ganz recht war. Gestresst von der Plackerei an der Universität wollten sie die paar Tage nutzen, an denen sie keine Vorlesungen hatten, um einmal Ruhe vor allem zu haben. Jake öffnete leise den Reißverschluss des Zeltes, um Brad nicht zu wecken. Die Sixpacks, die sie am Abend zuvor vernichtet hatten, taten ihre Wirkung. Jake ging ein paar Schritte in Richtung Waldrand und öffnete seinen Hosenschlitz. Plötzlich knackte es im Unterholz. Erschrocken sah er sich in der Dunkelheit um, konnte jedoch nichts erkennen. Das letzte, was er in seinem Leben sah, war anscheinend die Nacht selber, die ihn ohne Vorwarnung und blitzschnell angriff.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Dienstag, 30. April 2002, 07:05 Uhr

Als Michael die Kantine betrat, sah er dort schon das SG-1-Team sowie Bonnie und Shawn frühstücken. Er gesellte sich zu ihnen und erfuhr, dass Bonnie und Samantha gegen Mitternacht ebenfalls beschlossen hatten, dass sie dringend Schlaf benötigten. Gleich nach dem Frühstück jedoch wollten sie sich wieder an die Arbeit machen. Shawn blieb noch bei Michael, während der frühstückte. Er erzählte ihr, dass er sich hier nutzlos vorkäme und so langsam kribbelig würde, ein Gefühl, das sie nur bestätigen konnte. Michael war gerade mit dem Frühstück fertig, als Jonas zu ihnen kam und sie darüber informierte, dass General Hammond sie zu einer Lagebesprechung eingeladen hatte. Im Konferenzraum waren diesmal wieder Colonel O’Neill und Teal’c anwesend. Jonas, Shawn und Michael setzten sich zu ihnen und sahen erwartungsvoll zu General Hammond. Der machte ein sehr ernstes Gesicht.

“Guten Morgen, Gentlemen, Miss McCormick. Ich habe schlechte Nachrichten. Wie sie wissen, haben wir die Umgebung um die Absturzstelle überwachen lassen. Aus dieser Gegend sind zwei seltsame Vorkommnisse gemeldet worden. Gestern morgen wurden im Gifford-Pinchot-Nationalforst in Oregon zwei Jäger in Stücke gerissen. Und heute Nacht hat es zwei Studenten auf einem Zeltplatz etwa 10 Meilen weiter westlich im gleichen Wald erwischt. Die lokalen Behörden halten es für Angriffe von Braunbären, doch der Beschreibung der Verletzungen nach, handelt es sich höchstwahrscheinlich um unsere vermisste ‘Fracht’. Wenn sie weiterhin diese Richtung beibehalten, werden diese Monster in kürze Portland erreichen.”

Michael sprang auf und schlug mit den Handflächen auf den Tisch. “Dann müssen wir eben den ganzen Wald durchkämmen, bis wir die Viecher gefunden haben!”

“Haben sie eine Ahnung, wie groß dieser Nationalforst ist?” entgegnete General Hammond. Bis wir auch nur eines dieser Monster gefunden hätten, wären wieder viele Menschen getötet worden.”

“Aber sollen wir deswegen untätig herumsitzen?” ergriff Shawn Michaels Partei.

“Natürlich nicht, aber wir spekulieren auf etwas Hilfe,” erwiderte Hammond mysteriös.

“Meine, sofern dies in meiner Macht liegt,” hörten sie eine seltsame Stimme sagen.

In der Tür zum Konferenzraum stand ein Mann Anfang sechzig, der ungewöhnliche Kleidung trug. Größtenteils in Braun- und Beigetönen gehalten, bestand sie aus Stoff und Lederstücken, die in einer Form geschnitten waren, die Michael und Shawn noch nie gesehen hatten. Aber das Verrückteste an ihm war die Tatsache, dass er Russell Maddock zum Verwechseln ähnlich sah.

“Maddock...?” murmelten Michael und Shawn gleichzeitig.

“Selmak!” rief O’Neill freudestrahlend und schüttelte dem Neuankömmling die Hand. Auch von den anderen SG-1-Leuten wurde er herzlich begrüßt.

Michael und Shawn sahen sich verständnislos an.

“Michael Knight, Shawn McCormick, darf ich ihnen Selmak oder besser gesagt - Jakob Carter vorstellen,” sagte Hammond. “Jakob Carter ist der Vater von Samantha Carter und... ähm... nun ja, sagen wir ‘mal, er kennt sich mit solchen Dingen auch sehr gut aus.”

Schon wieder diese Geheimniskrämerei, dachte Michael, gab Selmak/Carter dann aber doch die Hand, eine Geste, die Shawn wiederholte.

“Wissen sie, dass sie meinem Boss unglaublich ähnlich sehen?” fragte Michael ungeniert.

“Wirklich?” antwortete Selmak. “Nun, man sagt ja, dass es von jedem irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger gibt.”

“Uhm-hm,” meinte Michael nur misstrauisch.

Danach begaben sich alle wieder in den Hangar. Selmak und Major Carter fielen sich um den Hals und begrüßten sich überschwänglich. Offenbar hatten sie sich schon lange nicht mehr gesehen. Michael nahm General Hammond beiseite und sagte zu ihm: “Hören sie, General. Shawn und ich können hier doch nichts tun. Wir kommen uns völlig überflüssig vor. Wie wär’s wenn wir nach Oregon fliegen und uns dort mal umsehen?” Hammond legte Michael die Hand auf den Arm. “Mr. Knight, Michael, bevor wir nicht genau wissen, mit was wir es da zu tun haben, möchte ich nur ungern ihr Leben aufs Spiel setzen. Außerdem... wollen sie wirklich ohne K.I.T.T. diesen Monstern nachjagen? Geben sie uns noch ein wenig Zeit - vielleicht kann uns Selmak ja weiterhelfen.” Michael stöhnte. Es gefiel ihm nicht, aber er nickte. Hammond nickte zurück und ging dann zu Selmak und den anderen. Knight folgte ihm.

“Nein, so ein Schiff habe ich auch noch nicht gesehen,” sagte Selmak gerade.

“Oh,” sagte K.I.T.T. plötzlich.

“Wast hast du?” fragte Bonnie.

“Ich glaube, ich habe Kontakt zu dem außerirdischen Computer. Er... es... ist...wir... sind abgestürzt... beschädigt... zerstört...”

K.I.T.T.s Tonfall hatte sich plötzlich geändert, so als spräche er in Trance. Offenbar war er mit dem fremden Computer eine Verbindung eingegangen, der jetzt aus ihm sprach.

“Habe Ladung verloren... Mission... gescheitert... nicht reparabel... Warnung!... nicht öffnen...”

 Sekundenlang sagte K.I.T.T. nichts, doch dann: “Ich habe die Sprache zu 87,3% entschlüsselt und nehme mir jetzt die elektronischen Logbücher vor.”

“Gute Arbeit, Kumpel,” lobte Michael seinen Partner.

Auf Carters Computerkonsole erschien der Inhalt der Logbücher, zum größten Teil in lateinische Schriftzeichen übersetzt.

“Major,” sagte General Hammond an Carter gewandt, “sobald sie die Logbücher gesichtet haben, erwarte ich ihren Bericht.”

“Ja, Sir,” antwortete Samantha.

 

 Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Dienstag, 30. April 2002, 09:30 Uhr

Michael hatte mittlerweile herausgefunden, dass auch Carters Vater Jakob einen Goa’uld in sich trug, allerdings im Gegensatz zu Teal’c einen erwachsenen. Dieser nannte sich Selmak, und jedes Mal, wenn er sprach, hörte sich Carters Stimme leicht verzerrt an. Carter wurde dieser Goa’uld eingesetzt, als er vor Jahren kurz vor dem Tode stand. Selmak hatte ihn geheilt. Dabei war Selmak kein gewöhnlicher Goa’uld, sondern er gehörte zu den Tok’ra, einer galaxisumspannenden Widerstandsbewegung, die das friedliche Zusammenleben aller Rassen als Ziel hatten. Sie lieferten sich immer wieder erbitterte Kämpfe gegen die als Systemlords berüchtigten, bösartigen Goa’uld. General Hammond hatte alle Beteiligten zu einer Konferenz zusammengerufen, nachdem ihm Major Carter vorab einen kurzen Bericht erstattet hatte. An dem großen Mahagonitisch saßen Michael Knight, Shawn McCormick, Bonnie Barstow, Colonel Jack O’Neill, Jonas Quinn, Teal’c und Major Samantha Carter. General Hammond nickte Carter zu und sagte nur “Major...”

“Danke, General,” erwiderte Carter. “Wie sie ja alle mitbekommen haben, konnten wir mit K.I.T.T.s Hilfe die Logbücher des Schiffs übersetzen. Dadurch haben wir folgendes herausgefunden: Das Schiff wurde von einer Rasse namens Thereons gebaut und vor etwa acht Jahren von deren Heimatplaneten oder einer Kolonie losgeschickt. Das Ziel war nicht die Erde, sondern ein anderer Planet in relativer Nähe der Thereons. Anscheinend hat ein Meteorschauer das Schiff beschädigt und von seinem ursprünglichen Kurs abgebracht, bis es zufällig hier strandete.”

“Teal’c,” unterbracht Hammond den Vortrag, “sind ihnen diese Thereons bekannt?”

Der hünenhafte Schwarze mit der seltsamen goldenen Tätowierung auf der Stirn schüttelte den Kopf. “Nein, General Hammond. Ich habe noch nie von ihnen gehört.”

“Ich glaube, ich schon,” sagte Selmak, der schon das erste mal, als der Name der Rasse fiel, die Stirn gerunzelt hatte. “Die Tok’ra hatten vor langer Zeit einmal mit ihnen zu tun, lange bevor ich zu ihnen gestoßen bin. Diese Thereons lagen damals in einem erbitterten Krieg mit einem Nachbarvolk. Sie versuchten mit allen Mitteln, den Gegner zu vernichten. Irgendwann brach der Kontakt zu ihnen ab.”

“Das passt zu den weiteren Entdeckungen, die wir gemacht haben,” erklärte Carter. “Laut den Logbüchern enthielten die Stasiskammern biologische Waffen, allerdings nicht so subtil wie Bakterien, sondern ein größeres Kaliber. Ich habe hier Fotos der Lebensformen.”

Major Carter drückte einige Tasten auf einer Fernbedienung, und auf der gegenüberliegenden Wand leuchtete ein großer Fernsehschirm auf. Auf dem Monitor waren aus mehreren Blickwinkeln aufgenommene Bilder der “Fracht” zu sehen. Es handelte sich um unbeschreiblich bedrohlich aussehende Wesen, die bis zu drei Meter hoch waren, vier mit Klauen bewehrte Extremitäten und einen enormen, lang gezogenen Schädel besaßen. Der Schädel verfügte über keine erkennbaren Augen, dafür jedoch um einen gewaltigen, ausfahrbaren Kiefer. Der lange Schwanz des Wesens war mit Rasiermesserschafen Dornen bestückt. Als die ersten Bilder der grauenhaften Wesen erschienen, sprangen Teal’c und Selmak gleichzeitig von ihren Stühlen auf. Sprachlos sahen sie sich an, einen Ausdruck der Panik im Gesicht.

“Was ist los?” wollte O’Neill wissen. “Ihr seht aus, als hättet ihr einen Geist gesehen.”

“Viel schlimmer, Jack O’Neill,” entgegnete Teal’c. “Diese Aliens sind in der ganzen Galaxis gefürchtet. Sie als Waffe einzusetzen, verstößt gegen jedes geschriebene und ungeschriebene Gesetz aller Völker.”

“Sie verfügen über keine Intelligenz, wie wir sie kennen,” ergänzte Selmak, “sondern eher über eine Art Gruppenbewusstsein. Ähnlich wie Bienen oder Ameisen. Sie werden von einer Königin gelenkt, die durchaus so intelligent wie wir sein kann. Sie vermehren sich rasend schnell. Dazu legen sie Embryos in Wirtskörper, vorzugsweise humanoide. Innerhalb weniger Tage sprengt die Larve dann den Brustkorb des Wirtes und wächst innerhalb weiterer Tage zu einem Vollausgewachsenen Alien heran. Sie sind so gut wie unzerstörbar. Sogar ihr Blut ist schlimmer als jede Säure.”

“Du sagst, die Königinnen wären noch gefährlicher?” erkundigte sich Sam bei ihrem Vater.

“Ja, wieso?” antwortete er.

“Nun,” begann Sam, sich sichtlich unwohl in ihrer Rolle als Überbringer schlechter Nachrichten fühlend, “die Fracht bestand aus sechs jungen Königinnen, die zudem noch gentechnisch manipuliert wurden, um noch stärker, aggressiver, unverwundbarer und vor allem fruchtbarer zu werden.”

Nun sprang auch General Hammond auf. “Um Himmels willen, das ist ja eine Katastrophe!” rief er. “Diese biologische Waffe, mit der die Thereons ihre Feinde vernichten wollten, wurde jetzt auf die Menschheit losgelassen!”

 “Die Königinnen werden schon befruchtet geboren und können in einer Stunde hunderte von Eiern legen!” sagte Selmak.

“Innerhalb weniger Monate könnte die ganze Erde infiziert sein,” gab Teal’c zu bedenken.

“Es wird höchste Zeit, dass wir auf die Suche nach diesen Monstern gehen!” rief Michael dazwischen.

“Unsere Suchtrupps haben nicht die geringste Spur von ihnen gefunden,” erklärte O’Neill. “Wenn die wirklich so intelligent sind, dann werden sie sich gezielt vor uns verstecken. Wie sollen wir sie jemals finden, bevor es zu spät ist?”

“Da gäbe es eine Lösung,” sagte Carter und verblüffte damit alle. “Und das ist die einzig gute Nachricht. Laut den Logbüchern wurde jedem einzelnen Alien ein subkutaner Sender transplantiert.”

“Sub.. was?” fragte O’Neill verwirrt.

“Unter der Hautoberfläche,” erklärte Bonnie. “Das ist es! Damit können wir sie aufspüren!”

“So leicht ist es leider nicht,” dämpfte Carter die Stimmung. Die Art des Peilsignals können wir nur herausfinden, wenn wir die Sensoren des Wracks repariert haben - falls uns das gelingt. Sie haben ja selbst gesehen, wie fremdartig die Technik der Thereons ist. Wenn es uns dann noch gelänge, die Sensoren in eines unserer Flugzeuge einzubauen, wäre es ein leichtes, das in Frage kommende Gebiet abzufliegen und die Aliens aufzuspüren.”

“Nun, dann fangen sie sofort damit an,” befahl Hammond.

“Natürlich, General,” antwortete Carter. “Mit ihrem Einverständnis hätte ich gerne, dass Dr. Barstow mir dabei hilft. Sie ist zwar keine

Quantenphysikerin, aber dafür eine ausgezeichnete Elektronikexpertin.”

“Genehmigung erteil,” entgegnete der General.

“Einen Moment, bitte,” sagte Bonnie. “Sam, ich kenne da eine andere überragende Quantenphysikerin - nicht persönlich, aber ich habe einen Beitrag von ihr in einem Fachmagazin gelesen, der mich sehr beeindruckt hat.”

“Wie heißt sie?”

 Bonnie überlegte kurz. “Miranda Finkelstein. Und wie der Zufall es so will, lebt sie in Portland, Oregon.”

“Ich werde sie überprüfen lassen,” sagte General Hammond. “Wenn dem nichts entgegensteht, werden wir sie einfliegen lassen.”

“Sehr gut,” antwortete Bonnie. Sie nahm Sam am Arm. “Dann las uns mal anfangen.”

Beide wollten gerade den Konferenzsaal verlassen, als Michael rief:

“Bonnie, warte mal! Brauchst du dafür K.I.T.T.?”

“Nein, bei der Arbeit kann er uns leider nicht helfen.”

“Dann spricht doch nichts dagegen, dass ich mit Shawn und K.I.T.T. nach Oregon fliege und mir die Gegend dort einmal genauer ansehe,” sagte Michael mit einem fragenden Blick zum General.

“Nun, nein,” erwiderte Hammond. “Aber sie gehen nicht allein. Colonel O’Neill, sie und Jonas werden sie begleiten.”

“Was ist mit mir?” wollte Teal’c wissen.

“Ich brauche deine technischen Kenntnisse, Teal’c,” beantwortete Major Carter die Frage des Jaffa.

“Dann ist ja alles geklärt,” meinte O’Neill. “Auf nach Oregon!”

 

Oregon, Dienstag, 30. April 2002, 11:34 Uhr

Billy Hackett liebte es, allein durch den Wald zu laufen. Seine Eltern wollten dies zwar nicht, weil sie der Meinung waren, ein Zehnjähriger sei dafür noch nicht alt genug, aber schließlich waren sie ja in der Nähe. Das Wohnmobil seiner Familie war nur etwa fünf Minuten entfernt auf einem Trailerpark abgestellt, wo sie seit dem Wochenende campierten. Das mittägliche Sonnenlicht hatte etwas verzaubertes an sich, so wie es durch das Blätterdach gefiltert in Strahlen auf den feuchten Waldboden traf. Vielleicht sah er ja wirklich irgendwelche Elfen oder Trolle. Nicht, dass er an so etwas glaubte, denn mit zehn Jahren war er für so was zu alt, davon war er fest überzeugt. Als er sich während dem Gehen umschaute, entdeckte er an einem Hügel ein großes Loch. Eine Höhle! Billy liebte Höhlen. Dort konnte man am ehesten auf Trolle treffen. Nicht, dass er an so was glauben würde, aber... Bevor das Mittagessen fertig war, hatte er noch etwas Zeit, dachte er sich. Warum also nicht die Höhle erforschen? Er lief zum Eingang und lauschte erst einmal. Es war nichts zu hören. Billy schob die Efeuranken, die über dem Höhleneingang hingen, zur Seite und trat hinein. Drinnen roch es modrig, und von irgendwoher hörte er Wasser tropfen. Es war ein wenig unheimlich, aber das liebte er. Je weiter er jedoch ins Innere vordrang, je dunkler wurde es und je mulmiger wurde es ihm. Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch von weiter vorne. Er erschrak ein wenig, konnte es sich aber nicht verkneifen, genauer nachzuschauen. Seine Augen hatten sich mittlerweile etwas an die Dunkelheit gewöhnt, und er glaubte, weiter vorne eine Bewegung entdeckt zu haben. Als er einen weiteren Schritt machen wollte, stieß er mit seinem Turnschuh an etwas. Er schaute nach unten und sah ein Gebilde, das wie ein riesiges Ei aussah. Billy glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Er wollte das seltsame Objekt gerade berühren, als er neben sich ein Zischen hörte. Erschrocken wirbelte er herum und sah ein schreckliches Monster, riesengroß und hässlich. Es drehte seinen unheimlichen Kopf zu Billy herum und fletschte die gigantischen Zähne. Billy schrie wie am Spieß und rannte voller Panik zum Höhlenausgang. Dabei stolperte er und fiel hin. Seine Hose riss am Knie auf, und er holte sich eine schmerzhafte Schürfwunde. Doch er rappelte sich sofort wieder auf und stürmte aus der Höhle heraus. Er hörte erst auf zu rennen, als er beim Wohnmobil seiner Eltern ankam.

 

 Universität von Portland, Oregon, Dienstag, 30. April 2002, 12: 22 Uhr

Wie fast jeden Mittag, hatten sich im Büro des Professors für Anthropologie, Dr. Declan Dunne, seine beiden Freundinnen Miranda Finkelstein und Dr. Peggy Fowler zum Mittagessen getroffen. Declan hatte seine Füße auf eine Ecke des Schreibtischs gelegt, während er aus der Schachtel, die der Heimservice gebracht hatte, mit zwei Stäbchen genüsslich Bami Goreng in seinen Mund schaufelte. Ein kleines Stück Hühnerfleisch schnippte er in die Ecke, wo sein Hund Mal saß, eine struppige Promenadenmischung, die nie auf ihn hörte. Die beiden Frauen saßen ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Schreibtischs. Peggy Fowler war eine Psychotherapeutin am Universitätskrankenhaus, die Declan während der Untersuchung einer seiner “mysteriösen Phänomene” vor knapp zwei Jahren getroffen hatte. Immer wieder hatte er sie in seine Untersuchungen miteinbezogen, ob sie wollte oder nicht, bis sie sich schließlich angefreundet hatten. Miranda Finkelstein dagegen war eine Studentin, deren eigentliches Fachgebiet die Quantenphysik war, Declan aber gelegentlich bei seinen Kursen aushalf. Von seinen mysteriösen Phänomenen war sie genauso begeistert wie er, weswegen sie ihm praktisch immer bei seinen Nachforschungen mit Rat und Tat zur Seite stand. Ihre lockere Unterhaltung wurde durch das Klingel des Telefons auf dem Schreibtisch unterbrochen. Declan legte die Stäbchen weg und hob den Hörer an sein Ohr.

“Ja? Ja, ich bin Professor Dunne. Oh, ja, die ist hier.”

Er reichte den Hörer über den Tisch zu Miranda. “Ist für dich,” sagte er. Miranda runzelte die Stirn, während sie den Hörer nahm. “Für mich? Hier?” Während der folgenden Minuten sagte sie nicht sehr viel, außer Dingen wie “ja”, “ja, natürlich”, “ja, sicher”, “oh” und “ich verstehe”. Dies machte Declan und Peggy natürlich überaus neugierig. Sie konnten gar nicht abwarten, bis Miranda wieder aufgelegt hatte.

“Wer war das?” fragte Declan ungeniert.

Miranda sah ihn und Peggy unsicher an. “Ähm, das darf ich nicht sagen.”

“Wie, das darfst du nicht sagen?” bohrte Declan weiter.

“Na ja, es geht um ‘ne Regierungssache. Die brauchen mich für irgendwas.”

“Was?” fragten Declan und Peggy gleichzeitig.

“Du kriegst ‘nen Anruf von der Regierung, weil sie dich für irgendwas rekrutieren wollen?” wollte Declan wissen.

“Was? Wieso? Nein, die wollen mich nicht rekrutieren. Sie benötigen nur meine Hilfe. Mehr darf ich nicht sagen.”

“Das ist sehr ungewöhnlich,” stellte Peggy fest.

“Sie kommen mich in einer Stunde hier abholen,” erzählte Miranda

Declan witterte den Hauch des Mysteriösen...

 

 Oregon, Dienstag, 30. April 2002, 17:01 Uhr

Die Absturzstelle sah aus, wie eine völlig normale Waldlichtung. Die Cleaner hatten perfekte Arbeit geleistet. Nichts deutete mehr darauf hin, dass hier ein außerirdisches Raumschiff abgestürzt war. Vor etwa einer Stunde waren Michael, Shawn und K.I.T.T. sowie Colonel Jack O’Neill und Jonas Quinn in ihrem Jeep hier angekommen. Sie hatten nach Spuren der Aliens gesucht, doch in den letzten beiden Tagen hatte es öfters geregnet. Noch nicht einmal K.I.T.T.s raffinierte technologische Tricks konnten etwas aufspüren. Da die Sonne schon tief am Himmel stand, beschloss man, sich im nächst besten Motel einzuquartieren.

 

 Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Dienstag, 30. April 2002, 18:59 Uhr

Samantha Carter und Bonnie Barstow waren gerade mit der Analyse der fremden Sensortechnik beschäftigt, als General Hammond mit ihrer neuen Kollegin zu ihnen kam.

“Major, Doktor, darf ich ihnen Miss Finkelstein vorstellen?”

Carter und Barstow warfen sich kurz einen Blick zu. So hatten sie sich die brilliante Quantenphysikerin nicht vorgestellt. Dabei trug Miranda ihre übliche Kleidung (sie hatte eh keine Zeit zum Umziehen gehabt): eine schwarze Bluse, einen schwarzen Rock, kniehohe schwarze Stiefel und einen schwarzen Ledermantel. Ihre auffallend helle Haut und die schulterlangen schwarzen Haare taten ein übriges, um sie der Stilrichtung der Gothics einzuordnen. Doch glücklicherweise beschränkte sich allein ihre Kleidung auf diesen Stil, wie Sam und Bonnie bald schon feststellten.

“Hallo,” sagte sie nur schüchtern und sah sich verstohlen in der großen Halle um.

Bonnie nahm sie am Arm, um das Eis zu brechen. “Ich habe diesen überaus interessanten Artikel von ihnen gelesen.”

“Was? Oh, sie meinen den über die Positronentheorie?”

“Ja, genau,” antwortete Bonnie. “Ich glaube, sie werden das hier sehr faszinierend finden.”

 

 Portland, Oregon, Mittwoch, 01. Mai 2002, 00:48 Uhr

Eugene Clarence Fisher, seines Zeichens Immobilienmakler, bis seine Spekulationen an der Börse ihn beruflich und privat ruinierten, war froh, eine relativ trockene Bleibe für die Nacht gefunden zu haben. Nieselregen hatte eingesetzt und es hatte merklich abgekühlt. Seine übel riechenden, abgetragenen Klamotten konnten ihn nur notdürftig wärmen. Diese Aufgabe übernahm die Flasche Wodka, die zur hälfte leer war. Für einen langjährigen Obdachlosen wie Eugene erschien der Eingang zur Kanalisation am Stadtrand von Portland so einladend wie ein Hotelzimmer. Im schwachen Schein der Straßenlaternen kletterte er den sanften Hang hinunter zu dem horizontalen Tunnel, aus dem die Abwässer in den Fluss geleitet wurden. Momentan war es im Inneren wärmer und trockener als im Freien. Eugene klaubte etwas Zeitungspapier, Laub und Holz vom Boden auf und zündete ein kleines Lagerfeuer an, an dem er sich wärmen konnte. Sein Magen knurrte, aber auf Essenssuche würde er erst morgen früh wieder gehen. Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche und rülpste. Das Geräusch schallte leicht von den Betonwänden wider, doch das Knistern und Knacken des Lagerfeuers übertönte es. Als Eugene C. Fisher so da saß und zum tausendsten mal darüber nachgrübelte, warum sein Leben dermaßen Schiefgelaufen war, glaubte er, ein merkwürdiges Geräusch aus dem Tunnelinneren zu hören. Erst dachte er, feuchtes Holz hätte im Lagerfeuer gezischt, doch dann bemerkte er, dass das Geräusch wirklich aus dem Tunnel kam. Sein erster Gedanke war, dass es einen weiteren Penner weiter hinten geben könnte, der eventuell etwas zu essen oder Fusel bei sich haben könnte. Dieses neue Ziel vor Augen, erhob sich Fisher ächzend und wankte tiefer in den Kanaltunnel hinein, eine behelfsmäßige Fackel in der einen, die Wodka-Flasche in der anderen Hand. Als er um eine Biegung kam, ließ er vor Schreck die Flasche fallen. Der komplette Tunnel vor ihm war ausgefüllt von einem unsagbar schrecklich aussehenden Monster, das ihn entfernt an ein riesiges Insekt auf zwei Beinen erinnerte. Sein Hinterleib war enorm angeschwollen und verjüngte sich nach hinten zu einer Art Schlauch, der unter widerlichen Bewegungen und Schleimabsonderung Eier legte! Tatsächlich befanden sich zwischen ihm und dem Ding mindestens zwei dutzend dieser schleimigen Eier, die aufrecht auf dem Vollgeschleimten Boden standen. Als das Licht seiner Fackel auf die Szenerie fiel, drehte das Monster seinen Kopf in Eugenes Richtung. Das Ding schien keine Augen zu besitzen, doch Eugene hätte schwören können, dass es ihn anstarrte. Dabei fauchte es wild, machte jedoch keine Anstalten, sich zu bewegen. Dafür bewegte sich etwas in dem Ei unmittelbar vor ihm. Eugene hielt die Fackel näher an das Ei. Er glaubte, in seinem Inneren etwas herumkriechen zu sehen. Fasziniert von dem abscheulichen Anblick, nahm er nur am Rande wahr, dass sich die Oberseite des Eies langsam öffnete. Plötzlich bewegte sich das Ding im Innern blitzschnell nach oben. Eugene zuckte zurück, doch es war bereits zu spät. Ein fahles, spinnenähnliches Wesen sprang ihm mitten ins Gesicht. Eugene wurde fast sofort bewusstlos.

 

 Oregon, Mittwoch, 01. Mai 2002, 07:50 Uhr

Michael, Shawn, Jonas Quinn und O’Neill hatten sich zum Frühstück in dem kleinen Restaurant getroffen, das zu dem Motel gehörte, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Sie wollten den Tagesablauf besprechen, denn heute wollten sie die Umgebung der Absturzstelle untersuchen.

“Wir werden uns in zwei Gruppen aufteilen,” erklärte O’Neill. “Da wir alle eingespielte Teams sind, gehen sie am besten mit Miss McCormick,” dabei schaute er Michael an, “und Jonas mit mir. Da im Norden und Osten der Absturzstelle nur Wald ist, werden sich die Aliens wohl Richtung Westen und Süden fortbewegt haben, was sich auch mit den gemeldeten Todesfällen deckt. Sie nehmen den Westen, wir den Süden.”

“Einverstanden,” sagte Michael.

“Kommen sie nachher bitte noch kurz auf unser Zimmer,” fuhr O’Neill fort. “Dann bekommen sie von mir noch zwei unserer Militärfunkgeräte, denn ob dort oben Handys funktionieren, ist fraglich. Haben sie übrigens Waffen dabei?”

Shawn schüttelte den Kopf. “Nein, wir arbeiten immer ohne Waffen.”

“Diesmal sollten sie eine Ausnahme machen,” antwortete Jonas und lächelte Shawn dabei an.

“Wir haben Maschinenpistolen mit Teflonmunition dabei. Nach Selmaks Angaben müssten die gegen die Viecher ‘was ausrichten können,” erklärte O’Neill.

“Hoffentlich irrt er sich da nicht,” entgegnete Michael.

 

Universitätsklinik von Portland, Oregon, Mittwoch, 01. Mai 2002, 13:16 Uhr

Dr. Peggy Fowler erwartete ihren 13:15-Uhr-Termin. Declan lümmelte immer noch bei ihr auf dem Sofa herum, das eigentlich für Gespräche mit ihren Patienten gedacht war. Aber schließlich war Declan auch so etwas wie ein Patient. Seit gestern war er am Grübeln, wozu Miranda angefordert worden war. Zwei Unteroffiziere in Ausgehuniformen hatten sie pünktlich in Declans Büro abgeholt und nur das allernötigste geredet. Declan war vor Neugierde fast geplatzt.

“Sie hat sich noch nicht gemeldet,” sagte er. “Vermutlich lassen die sie gar nicht telefonieren.”

“Es wird ihr schon gut gehen, Declan,” erwiderte Peggy.

  “Dr. Fowler?” sagte eine weibliche Stimme von der Tür her.

Peggy und Declan schauten zum Eingang des Büros, wo ein Paar und ein kleiner Junge standen, die Peggy musterten. Die Psychiaterin war Ende dreißig, hatte schwarze, lockige Haare und eine Hautfarbe wie Kakao. Sie trug ein elegantes Kostüm, das ihre zierliche Figur betonte.

“Oh, Mr. und Mrs. Hackett! Kommen sie doch herein,” begrüßte Peggy ihren Termin.

“Ich geh’ dann mal,” sagte Declan, während er von der Couch aufstand. Er grinste den Jungen an und verließ das Büro.

“Setzen sie sich doch,” sagte Peggy und zeigte auf das nun freie Sofa. “Und du musst Billy sein, richtig?”

Der kleine Junge nickte nur schüchtern.

“Dr. Fowler,” begann Mr. Hackett, “wir wollten bisher eigentlich diesen Schritt nicht tun, aber nachdem, was gestern passiert ist... nun ja...”

Billys Eltern waren sichtlich verlegen. Peggy versuchte, den dreien die schlechten Gefühle auszureden.

“Sie müssen sich nicht genieren, eine Psychiaterin zu rate zu ziehen. Dafür sind wir ja da. Erzählen sie doch mal, um was es genau geht.”

“Wissen sie,” begann Billys Mutter, “Billy war schon immer sehr fantasievoll. Manchmal zu fantasievoll. Es ist fast an der Tagesordnung, dass er sich irgendetwas oder irgendjemanden einbildet.”

“Aber so wie gestern haben wir ihn noch nie erlebt,” ergänzte Mr. Hackett. “Er kam völlig außer Atem und schreiend wie am Spieß angerannt und behauptete wieder mal, etwas gesehen zu haben.”

Peggy sah Billy an und fragte ihn: “Was hast du denn gesehen, Billy?”

Der Junge wurde nervös und schien ehrlich Angst zu empfinden, als er antwortete:

“Ein Monster!”

 

Oregon, Mittwoch, 01. Mai 2002, 18:04 Uhr

Die Suchtrupps der FLAG und des SG-1 trafen sich wieder bei ihren Fahrzeugen. Keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Spur von Aliens entdeckt. Alle waren frustriert.

Während sie unterwegs waren, habe ich alle mir zugänglichen Dateien der Polizei, Krankenhäuser und Zeitungsredaktionen gesichtet, doch auch darin befanden sich nirgends neue Hinweise,” erzählte K.I.T.T.

“Na, großartig,” lamentierte Michael.

“Haben sie irgendwelche Neuigkeiten?” fragte Shawn Colonel O’Neill.

“Unsere weiblichen Eierköpfe sind auch noch nicht weitergekommen,” antwortete er.

Michael schnitt eine Grimasse. “Dann können wir also gar nichts tun als abzuwarten.”

“Sieht so aus,” erwiderte O’Neill. “Allerdings werden sie das ohne uns tun müssen. Der General hat uns in die Basis zurückbeordert. Hat aber nichts mit dieser Sache zu tun. Wir fliegen noch heute Abend zurück.”

“Dann hat es bestimmt etwas mit dieser SG-Sache zu tun, hm?” schmunzelte Michael und tippte mit dem Zeigefinger auf ein imaginäres Schulterabzeichen.

“Kein Kommentar,” lächelte O’Neill zurück.

Die vier Menschen und K.I.T.T. verabschiedeten sich voneinander und fuhren zusammen den Waldwirtschaftsweg zurück, bis sie auf den Highway stießen. Dort trennten sich ihre Wege. O’Neill und Quinn fuhren mit ihrem Jeep Richtung Militärflugplatz, während Michael und Shawn zu ihrem Motel zurückkehrten.

Unterwegs meldete K.I.T.T.: “Mr. Maddock ruft an!”

Auf dem Monitor in K.I.T.T.s Armaturenbrett erschien das Gesicht des Leiters der Foundation.

“Oh, hallo Selmak,” rief Michael. Shawn musste sich ein Lachen verkneifen.

“Was?” fragte Maddock.

“Ach, nichts,” antwortete Michael. “Was gibts?”

“Was es gibt? Nun, offensichtlich keine Fortschritte bei ihnen. Ich weiß ja nicht, wofür die Regierung ihre Hilfe benötigt, doch mittlerweile benötigt die Foundation sie, und zwar dringend. Sie sind schließlich schon drei Tage fort. Erst werden sie und Shawn abgezogen und dann auch noch Bonnie. Wenn das so weitergeht, sitze ich bald alleine hier. Ich möchte, dass morgen einer von ihnen beiden zurückkommt - wer ist mir egal.”

“Das passt ja super,” entgegnete Michael. “Gerade wurden nämlich die zwei Militärtypen zurückgepfiffen.”

“Das ist mir egal,” antwortete Maddock. “Sie arbeiten schließlich für die Foundation und nicht für die Regierung.”

“Schon gut,” sagte Shawn. “Ich nehme morgen früh die erste Maschine.”

“Gut!” erwiderte Maddock. Das Bild erlosch. Shawn sah Michael entschuldigend an. Der lächelte ihr zuversichtlich zu.

“Ich werd’s schon ohne dich schaffen. K.I.T.T. ist ja bei mir.”

 

Portland, Oregon, Donnerstag, 02. Mai 2002,08:54 Uhr

Michael und K.I.T.T. waren auf dem Rückweg vom Flughafen, wo sie Shawn abgesetzt hatten. Es war mal wieder ein regnerischer Tag, der auf Michaels ohnehin nicht gute Laune drückte.

“Michael, was ist mit ihnen?” fragte K.I.T.T., der in den langen Jahren ihrer Zusammenarbeit gelernt hatte, Michaels Stimmungen zu erkennen.

Michael suchte nach Worten und sagte dann: “Ich fühle mich so hilflos, K.I.T.T. Da draußen laufen irgendwo diese mordlustigen Aliens herum, und wir können absolut nichts dagegen tun.”

Das ist leider wahr. Wenn ich wenigstens mit den geeigneten Sensoren ausgerüstet wäre, könnten wir die Stadt systematisch scannen.”

Michael überlegte kurz, dann kam ihm eine Idee. “Statt hier untätig ‘rumzusitzen, könnten wir aber trotzdem die Stadt systematisch absuchen. Wir beginnen einfach in diesem Stadtteil und arbeiten uns dann weiter. Achte einfach auf Sachen, die in Verbindung mit den Aliens stehen könnten.”

“Selbst wenn ich die außerirdischen Sensoren eingebaut hätte, wäre dies eine mühselige Arbeit, zumindest vom Boden aus. Aber wenn sie darauf bestehen...”

“Solange mir nichts besseres einfällt... dann mal los, Kumpel!”

 

 Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Donnerstag, 02. Mai 2002, 17:47 Uhr

Das Team um General Hammond hatte sich zu einem Zwischenbericht wieder einmal im Konferenzraum zusammengefunden. Major Carter informierte alle Beteiligten, dass sie kleine, aber wichtige Fortschritte gemacht hatten und in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der thereonischen Sensoren zu rechnen war.

“Was wir jetzt schon sagen können,” berichtete Carter weiter, “ist, dass das Peilsignal kein Funksignal im herkömmlichen Sinn ist, sondern vermutlich eine lebensformspezifische DNS-Sequenz.”

“Und das heißt in Nicht-Eierkopf-Sprache?” fragte O’Neill gereizt.

Samantha Carter war diese Art von Fragen seitens ihres Vorgesetzten gewohnt, der nicht gerade ein Fan von wissenschaftlicher Terminologie war.

“Sowas wie ein genetischer Fingerabdruck. Nur wenn man die DNS des Wesens kennt, kann man es orten.”

“Aha!” entgegnete O’Neill. “Das wirft eine weitere Frage auf: In welches Flugzeug bauen wir nachher die Sensoren ein? Ein herkömmliches Flugzeug der Air Force hat bestimmt nicht die Technik, um mit diesen Sensoren kompatibel zu sein. Daher bleibt wohl nur der Goa’uld-Gleiter übrig.”

O’Neill bezog sich auf ein kleines Kampfschiff der Goa’uld, das vor einiger Zeit vom SG-1-Team gekapert werden konnte. Teal’c nickte zustimmend. “Die Goa’uld kennen die Thereon-Technologie zwar nicht, aber ich denke auch, dass der Gleiter eher dazu geeignet ist, als ein Ta’uri-Flugzeug.” Ta’uri war in der Sprache der Goa’uld die Bezeichnung für die Menschen.

“Ich sehe da allerdings ein Problem,” erklärte Hammond. “Der Gleiter ist zu auffällig. Falls er entdeckt würde, würde das ziemlich viele Fragen aufwerfen.”

“Dieser Gleiter ist unsere einzige Hoffnung,” sagte Selmak.

General Hammond grübelte ein paar Sekunden, bevor er antwortete: “Nein, ich glaube nicht. Vielleicht gibt es noch eine andere.”

O’Neill sah plötzlich verblüfft drein. “Wissen sie, dass das fast wortwörtlich ein Zitat aus...”

Weiter kam er nicht, denn Samantha rammte ihm ihren Ellbogen in die Seite.

“Was denn?” fragte er unschuldig. Seine Bemerkung wurde jedoch von allen ignoriert.

“Nun, dann weiter an die Arbeit,” kommandierte Hammond. “Dr. Barstow, Miss Finkelstein, sie wissen ja, dass sie jederzeit schlafen gehen können, wenn sie zu müde zum weitermachen sind. Sie sind schließlich auf absolut freiwilliger Basis hier.”

“Natürlich, General,” antwortete Bonnie, “aber ich denke, Miranda und ich halten schon noch etwas durch, oder?”

Miranda nickte heftig. “Oh, ja, doch, schon.”

“Vielen Dank für ihre Mithilfe,” sagte Hammond.

Während das Team wieder zurück zum Hangar ging, zog sich der General in sein Büro zurück. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, überlegte kurz und  drückte dann eine Taste an seinem Telefon.

“Verbinden sie mich mit Michael Coldsmith-Briggs!”

 

 Universitätsklinik von Portland, Oregon, Donnerstag, 02. Mai 2002, 19:07 Uhr

“Hallo Peggy!”

Dr. Fowler schaute von ihrem Schreibtisch hoch. In der Tür zu ihrem Büro stand Declan Dunne.

“Hallo Declan. Was tust du denn hier um diese Zeit?”

Declan nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. “Bin gerade mit dem Korrigieren der Tests fertig geworden,” sagte er, während er sich auf das Sofa fallen ließ.

“Wolte gerade nach Hause fahren, als ich sah, dass hier noch Licht brennt.”

“Ja, ich hatte hier auch noch einiges zu tun,” antwortete die Psychologin. “Aber ich sollte wohl auch besser nach Hause gehen. Hast du schon was von Miranda gehört?”

“Ja, sie hat mich heute Nachmittag angerufen. Das wollte ich dir sowieso noch erzählen.”

“Und? Gehts ihr gut?”

“Klar. Sie war die ganze Zeit über so in dieses Regierungsprojekt vertieft, dass sie gar nicht daran gedacht hat, anzurufen. Du kennst sie ja.”

“Uhm-hm,” lächelte Peggy. Miranda war auf ihre Art genauso abgedreht wie Declan. Sie war ungewöhnlich intelligent aber extrem schüchtern. Und wenn sie sich einmal in eine Sache verbissen hatte, gab es nichts anderes mehr um sie herum. Peggy konnte sich sehr gut vorstellen, wie die junge, hübsche Frau irgendwo an der Lösung einer kniffligen Frage arbeitete und womöglich sogar Essen, Trinken und Schlafen vergaß.

“Allerdings darf sie nichts über dieses Projekt erzählen. Na ja, Hauptsache, ihr gehts gut.”

“Das lässt dir jetzt keine Ruhe, was?” grinste Peggy. “Du wüsstest zu gerne, was da vor sich geht.”

“Na ja, du musst zugeben, dass sich das ganze sehr geheimnisvoll anhört. Vielleicht gehts ja um...”

“...ein mysteriöses Phänomen?” schnitt ihm Peggy das Wort ab.

“Könnte doch sein,” antwortete Declan.

Peggy Fowler lachte. “Du bist unverbesserlich, weißt du das?”

“Apropopos: Was war denn mit dem kleinen Jungen, der gestern hier war?” fragte Declan.

Peggys Grinsen verschwand blitzartig. “Oh, nein, Declan. Vergiss es!”

“Wieso denn? Ich weiß, ich weiß, du darfst keine Informationen über deine Patienten weitergeben, aber habe ich dein Vertrauen jemals enttäuscht?”

“Ja, mehrmals,” entgegnete Peggy ernst.

“Aber es hat doch noch nie jemandem geschadet. Außerdem - wenn du so geheimnisvoll tust, weiß ich genau, dass es um etwas geht, das mich interessieren würde.”

Peggys Blutdruck stieg, und sie atmete tief durch. “Du bist nicht nur unverbesserlich sondern auch noch unmöglich!”

“Na komm schon,” bettelte Declan. “In letzter Zeit ist nichts Interessantes mehr passiert. Vielleicht hilft es dem Jungen ja sogar, falls ich ‘was ‘rausfinde.”

Peggy kannte diese Diskussionen zur genüge. Sie konnten noch ziemlich lange weitergehen, und meist war sie es, die nachgab, denn Declan war einfach zu sturköpfig. Sie war müde und gestresst und wollte nur so schnell wie möglich nach Hause, also entschloss sie sich, auch diesmal wieder die Klügere zu sein.

“Also gut,” stöhnte sie. “Ich erzähl’s dir und dann verschwindest du. Ich bin geschafft.”

“Versprochen,” erwiderte Declan und lehnte sich gespannt nach vorne, um den Worten seiner Freundin zu lauschen.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Donnerstag, 02. Mai 2002, 21:15 Uhr

Miranda Finkelstein steckte gerade mitten in der Arbeit an dem außerirdischen Sensorensystem, als ihr Handy klingelte. Etwas genant griff sie danach und meldete sich.

“Declan!” rief sie erstaunt. “Was willst du?”

Bonnie Barstow und Samantha Carter, die neben ihr standen, schauten kurz zu ihr hin, gingen dann aber wieder ihrer Beschäftigung nach.

“Ja, alles okay. Ich hab dich doch erst heut’ Nachmittag angerufen... - ...keine Ahnung, kann wohl noch ein paar Tage dauern... - ...dann musst das wohl alleine untersuchen... - ...oh, ich bitte dich, Declan - Monster! Das ist selbst für dich zu abgefahren!”

Bonnie und Sam hatten Miranda zwar nicht zugehört, doch bei dem Wort “Monster” wurden sie automatisch aufmerksam. Die beiden Wissenschaftlerinnen sahen sich fragend an und dann zu Miranda hinüber. Die hatte die Blicke bemerkt, was ihr sichtlich peinlich war. “Nein, Declan, ciao!” sagte sie und schaltete das Handy ab.

“Tut mir leid. Das war ein Freund von mir. Der spinnt manchmal etwas.”

“Habe ich gerade das Wort Monster gehört?” wollte Samantha wissen.

“Ja, Entschuldigung,” druckste Miranda herum. “Ich sagte ja, Declan spinnt manchmal.”

“Wohnt dieser Freund von ihnen zufällig in der Gegend von Portland?” bohrte Bonnie nach.

“Ähm, ja, warum?”

Sam und Bonnie schauten sich an, als ob sie sagen wollten “so einen Zufall kann es nicht geben”.

“Erzählen sie uns mehr davon,” sagte Sam.

Sichtlich erstaunt, begann Miranda wiederzugeben, was ihr Declan am Telefon erzählt hatte. Die Gesichter ihrer beiden Kolleginnen wurden immer länger, bis sie offenen Mundes vor ihr standen.

“Das ist es!” rief Samantha. “Die Beschreibung des Monsters, die Eier... das muss eins von ihnen sein!”

“Genau,” antwortete Bonnie. “Sagen wir’s sofort dem General.”

Major Carter rannte Richtung Büro des Generals davon. Miranda stand völlig verwirrt da und war sprachlos.

Bonnie nahm sie am Arm. “Ich glaube, es wird Zeit, ihnen zu sagen, um was es hier wirklich geht.”

 

Portland, Oregon, Donnerstag, 02. Mai 2002, 21:21 Uhr

Michael war den ganzen Tag kreuz und quer durch Oregons Hauptstadt gefahren und hatte auch die Vororte nicht ausgelassen, jedoch ohne Erfolg. Er war müde und frustriert und wollte K.I.T.T. gerade vorschlagen, zum Motel zurückzufahren, als dieser ihm mit einer Meldung zuvorkam:

“Michael, Bonnie ruft an.”

“Laß hören, Kumpel. - Hallo Bonnie! Gibts ‘was neues?”

Bonnies Stimme erklang aufgeregt aus dem Lautsprecher. “Ja, es kann sein, dass wir eine Spur haben. Du erinnerst dich doch daran, dass ich Miranda Finkelstein anfordern lassen wollte?”

“Ja, ich erinnere mich,” antwortete Michael.

“Sie hat vorhin hier einen Anruf von einem Freund bekommen, der in Portland lebt. Und der hat angeblich etwas von einem Monster gehört, das dort im Wald hausen soll.”

“Wo finde ich den Typen? K.I.T.T., merk dir Namen und Adresse!”

“Michael,” erwiderte Bonnie, nachdem sie Declans Anschrift übermittelt hatte, “unternimm nichts, bevor nicht Verstärkung da ist. Falls es sich wirklich um einen unserer Aliens handelt, wirst du die dringend nötig haben.”

“Dann sollte sich die Verstärkung mal schön beeilen. Ich sitze hier schon viel zu lange untätig herum. Außerdem arbeitet die Zeit gegen uns. Je eher wir die Viecher stellen, desto besser.” Damit schaltete er die Komm-Verbindung ab und den Pursuit Mode ein. K.I.T.T. raste mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Hafen.

 

Hafen von Portland, Oregon, Donnerstag, 02. Mai 2002, 21:32 Uhr

Professor Declan Dunne studierte gerade eine Landkarte, um sich den Weg zu dem Waldcampingplatz einzuprägen, in deren Nähe der kleine Billy Hackett das Monster gesehen hatte. Am nächsten Morgen wollte er sich auf die Suche machen. Plötzlich klopfte es an die Eingangstür seines Hausbootes, das im Hafen vor Anker lag. Mal, der Hund, spitzte die Ohren, blieb aber in seinem Körbchen liegen.

“Wer ist denn das um diese Uhrzeit,” murmelte Declan, während er zur Tür lief. Als er sie öffnete, stand ein fast zwei Meter großer, athletischer Mann vor ihm, gut aussehend und Anfang fünfzig, wie er schätzte. Er hatte dunkle Locken und trug eine schwarze Lederjacke, schwarze Jeans und Turnschuhe und ein dunkelblaues Hemd.

“Declan Dunne?” fragte der Fremde.

“Ja,” antwortete der jüngere Mann. “Kann ich ihnen helfen?”

“Mein Name ist Michael Knight. Ich arbeite für die Foundation For Law And Government. Sie sind mit einer Miranda Finkelstein befreundet?”

“Ja,” entgegnete Declan erschrocken. “Ist ihr etwas passiert?”

Michael hob beschwichtigend die Hände. “Nein, nein, keine Sorge. Aber wir brauchen ihre Hilfe. Es ist sehr dringend!”

“Kommen sie ‘rein,” sagte Declan und schloss hinter Michael die Tür.

Als sie ins Wohnzimmer kamen, sprang Mal aus seinem Körbchen und schnüffelte an Michaels Hosenbeinen.

“Mal, las das!” sagte Declan, und zu Michael gewandt: “Was ist nun mit Miranda?”

“Gar nichts. Sie arbeitet mit einem Regierungsteam an einer Geheimsache. Sie hat erzählt, dass sie davon gehört haben, dass hier in der Gegend ein Monster gesichtet wurde.”

Declan war für einen Moment sprachlos. “Äh, ja, ich wollte mir die Stelle morgen früh ‘mal anschauen.”

“Das würden wir besser sofort tun,” antwortete Michael. “Wir stehen ziemlich unter Zeitdruck.”

“Aber was hat das Monster mit Mirandas Geheimprojekt zu tun?” wollte Dunne wissen.

“Das erzähle ich ihnen unterwegs. Wissen sie, wo das Monster gesichtet wurde?”

“Ja, ich hab’ mir die Gegend gerade auf der Landkarte angeschaut.”

“Prima! Holen sie die Karte, dann fahren wir los!”

“Alles klar,” sagte Declan, während er die Karte zusammenraffte und beim Weg nach draußen noch seine Lederjacke schnappte. Mal lief den beiden Männern nach.

“Nein, nein, Mal,” sagte Declan. “Du bleibst hier! Du läufst sowieso immer davon.”

Mal schaute seinem Herrchen nach, als er zusammen mit dem fremden Mann das Hausboot verließ. Es sollte das letzte mal sein, dass er ihn sah.

 

Nordkalifornien, Donnerstag, 02. Mai 2002, 21:46 Uhr

Stringfellow Hawke saß auf der Veranda seiner Blockhütte und lauschte dem Zirpen der Grillen. Die Sterne am Nachthimmel spiegelten sich in der Oberfläche des Sees, der nur wenige Meter vor seiner Hütte lag. Der drahtige, athletische Mann war um die fünfzig. Er trug Jeans und eine Lammfelljacke, denn die Nacht war kühl. Auf der Anlageplattform, zu der ein Steg vom Ufer aus führte, parkte ein Hubschrauber mit der Aufschrift Santini Air. Hawke musste unwillkürlich an frühere Zeiten denken, wie so oft in den letzten Jahren. Das Klingeln des Telefons riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. Er ließ sich viel Zeit, um von seinem Stuhl aufzustehen und ins Haus hineinzugehen. Er telefonierte nicht gern, und wenn es wichtig war, würde derjenige sowieso wieder anrufen. Als er abhob und sich mit einem knappen “ja?” meldete, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung: “Hallo Hawke! Wie geht es ihnen?” Stringfellow hatte die Stimme sofort erkannt, obwohl er sie seit vielen Jahren nicht mehr gehört hatte. Er dachte schon darüber nach, ob er nicht einfach auflegen sollte, überlegte es sich dann aber doch anders.

“Was wollen Sie, Archangel? Ich dachte, sie wären schon längst tot.”

Archangel war der Codename von Michael Coldsmith-Briggs III, seines Zeichens ehemaliger Leiter der “Firma”, einer Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Stringfellow Hawke hatte jahrelang als freier Agent für den zehn Jahre älteren Mann gearbeitet. Die beiden Männer hatten sich zwar immer gegenseitig respektiert aber nie wirklich Freundschaft geschlossen. “Aber nein, mir und Mirella gehts gut.” Mirella war Archangels frühere Assistentin gewesen, bis sie nach seiner Pensionierung geheiratet hatten.

“Kommen sie zur Sache,” erwiderte Hawke.

“Nun, heute Abend wurde ich von einem alten Bekannten aus der Air Force angerufen. Es geht um ein streng geheimes Projekt. Und da denen die Zeit davonzulaufen scheint, wurde ich gefragt, ob ich sie dazu bewegen könnte, ihnen zu helfen.”

“Helfen? Sie meinen mit Airwolf? Vergessen sie’s, Michael. Nach so langer Zeit sollten sie es aufgegeben haben, mir Airwolf doch noch abzuluchsen.”

“Glauben sie im Ernst, mir ginge es um Airwolf? Erstens bin ich hier nur der Vermittler und zweitens interessiert sich niemand mehr für Airwolf. Er ist völlig veraltet und überholt. Der Vogel ist schon zwanzig Jahre alt.”

“Achtzehn,” korrigierte Hawke. “Und wozu brauchen sie ihn dann, wenn er angeblich völlig veraltet ist?”

“Man hat mir nichts Konkretes erzählt, aber die scheinen zu glauben, dass er ihre einzige Chance ist.”

“Kein Interesse,” entgegnete Hawke.

“Hawke, ich bitte sie,” flehte Coldsmith-Briggs. “Was würde Dominic dazu sagen?”

Dominic Santini war Hawkes bester Freund und Mentor gewesen, nachdem er seine Eltern verloren hatte. Dom hatte ihn praktisch wie seinen eigenen Sohn aufgezogen und ihm alles übers Hubschrauberfliegen beigebracht, bis Hawke ihn schließlich darin noch übertroffen hatte. In fast jeder Mission für die Firma war er sein Co-Pilot gewesen. Er war der zweite von nur drei Menschen, die Airwolf fliegen konnten. Santini war mittlerweile über achtzig und genoss seinen wohlverdienten Ruhestand auf Hawaii. Hawke hatte daraufhin seine Firma übernommen, einen Hubschrauber-Charterservice.

“Dom würde sich auch nicht von ihnen um den Finger wickeln lassen,” antwortete Hawke.

“Ich hätte sie nicht belästigt, wenn es nicht sehr ernst wäre,” erwiderte Coldsmith-Briggs. Der Ton seiner Stimme hatte sich verändert. Hatte er vorher noch in seinem typisch süffisanten Tonfall gesprochen, so klang er jetzt ernst und ehrlich, was Hawke auch bemerkte.

“Es ist ein nationaler Notfall. Viele Menschen könnten sterben - unschuldige Menschen!”

Hawke seufzte. Er hatte keine Wahl. Wenn er die Möglichkeit hatte, diesen Menschen zu helfen, konnte er die Bitte nicht ablehnen.

“Was soll ich tun?” fragte er

“Fliegen sie mit Airwolf zu folgenden Koordinaten,” antwortete Archangel und gab Hawke die Daten durch.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Donnerstag, 02. Mai 2002, 22:52 Uhr

Diesmal klingelte Bonnies Handy, die immer noch zusammen mit Miranda und Major Carter unermüdlich an den fremdartigen Sensoren arbeitete. K.I.T.T. war dran. Alles, was er sagte, war: “Michael ist tot!” Bonnie fehlten die Worte. Sie glaubte sich in einem Alptraum, dann wurde ihr schwindlig. Sie torkelte zu einem Stuhl in der Nähe und ließ sich hineinfallen.

“Was... wie...?” stammelte sie in das Gerät, immer noch nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

“Er ist soeben von einem der Aliens getötet worden,” erzählte K.I.T.T. “Dr. Dunne ist schwer verletzt. Die beiden hatten die Höhle auf eigene Faust erkundet. Ich konnte nichts tun.”

K.I.T.T.s Stimme war so ausdruckslos wie noch nie zuvor. Dies trug zu dem surrealen Gefühl bei, das Bonnie empfand. Die beiden anderen Frauen hatten dies natürlich bemerkt und wollten wissen, was geschehen war. Bonnie erzählte es ihnen und kam sich dabei vor, als würde sie neben sich stehen und sich selbst zuhören. Sie konnte es immer noch nicht fassen.

“Verdammt, warum haben sie nicht auf die Verstärkung gewartet?” fluchte Major Carter. “Ich informiere General Hammond.” Damit verließ sie die Halle.

Miranda Finkelstein hockte sich neben Bonnie und berührte ihre Hand. “Ich kann ihre Trauer verstehen, aber was ist mit Declan?” fragte sie verzweifelt.

Bonnie wurde klar, dass sie keinen Gedanken an den ihr unbekannten Uni-Professor verschwendet hatte, was ihr jetzt leid tat.

“K.I.T.T. sagte, er sei schwer verletzt.”

Miranda hielt sich die Hand vor den Mund und wirkte nun auch abwesend.

“Bonnie, was soll ich nun tun?” Selbst K.I.T.T. klang irgendwie verzweifelt.

Bonnie riss sich zusammen, doch sie konnte die Tränen nicht unterdrücken. “Warte dort, bis Colonel O’Neill mit der Verstärkung da ist,” antwortete sie mit gebrochener Stimme. Dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

 

Oregon, Freitag, 03. Mai 2002, 00:56 Uhr

K.I.T.T. hatte die Hubschrauber schon lange geortet, bevor sie zu hören oder zu sehen gewesen waren. Per Funk hatte er ihnen seinen genauen Standort durchgegeben. Jetzt dröhnten die lärmenden Flugmaschinen direkt über dem schmalen Waldweg, auf dem er geparkt war. Im grellen Licht der Hubschrauberscheinwerfer seilten sich Elitesoldaten des SG-Teams auf den Waldboden ab, da es in der Nähe keinen geeigneten Landeplatz gab. Als alle Soldaten Bodenkontakt hatten, schwebten die Hubschrauber dennoch weiter in einer wachenden Position über dem Ort des Geschehens. Die Soldaten unter dem Kommando von Colonel Jack O’Neill verständigten sich durch ihre speziellen Headsets. K.I.T.T. wählte sich in deren Frequenz ein, um notfalls helfende Hinweise geben zu können. Nach K.I.T.T.s Anweisungen hatten sie schon nach wenigen Sekunden die Höhle erreicht.

“Teal’c, Jonas, erster Zug! Rein da!” kommandierte der Colonel und stürmte als erster in die Höhle hinein.

Er wäre fast über Michael Knight gefallen, der bewegungslos in einer Blutlache am Boden lag, nicht weit vom Höhleneingang entfernt. Sein Schädel war geborsten.

“Zweiter Zug, bergen sie die Leiche!” befahl O’Neill über Funk. Sein militärisches Training verbot ihm, in dieser Situation persönliche Gefühle zu empfinden.

Unter der Führung von O’Neill, Jonas Quinn und Teal’c stürmten die Soldaten in die Dunkelheit. Als sie auf die ersten Eier trafen, befahl O’Neill, sie zu zerstören. In dem Moment, als alle Soldaten auf die Gebilde zu feuern begannen, ertönte ein markerschütterndes Gekreische. Im Licht der Taschenlampen erschien vor ihnen plötzlich das alptraumhafteste Wesen, das jeder von ihnen jemals gesehen hatte. Blitzschnell war es unter ihnen, und das Gemetzel begann. O’Neill, Teal’c und Jonas, die in vorderster Reihe standen, wurden von der Bestie niedergemacht. Wie Spielzeugfiguren flogen sie durch die Höhle und blieben reglos liegen. Der Rest der Soldaten konzentrierte sein Feuer auf den Alien. Bevor die Kugeln die gepanzerte Haut des Wesens durchdringen konnten, hatte es schon fünf Soldaten förmlich in der Luft zerrissen. Erst nachdem hunderte von Geschossen abgefeuert worden waren und es weitere vier Soldaten verletzt hatte, fiel das Monster zu Boden. Die Höhle hatte sich mit dem Rauch der abgefeuerten Waffen gefüllt. Jonas Quinn rappelte sich auf und wunderte sich, dass er unverletzt war. Neben ihm lagen Teal’c und Jack O’Neill, beide blutüberströmt und regungslos. Er sah hilflos mit an, wie die unverletzten  Soldaten ihre verletzten und toten Kameraden aus der Höhle trugen. Als die Höhle geräumt war, kam der Anführer des zweiten Zuges zu Quinn.

“Kommen sie, wir werden die Höhle mit Flammenwerfern ausbrennen,” sagte er.

Jonas nickte und wollte gerade hinausgehen, als er ein Geräusch hörte.

“Haben sie das auch gerade gehört?” fragte er den Sergeant. “Hörte sich fast wie ein Stöhnen an.”

Statt einer Antwort lud der Sergeant sein automatisches Gewehr durch, und zusammen drangen sie tiefer in die Höhle vor, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Kurz darauf kamen sie an die Rückwand der Höhle, die von oben bis unten mit hellem Schleim bedeckt war. Mitten in diesem Schleim steckte Declan Dunne. Von dem Wesen, das sein Gesicht bedeckt hatte, fehlte jede Spur. Jonas berührte ihn, woraufhin er leise aufstöhnte. Er öffnete halb die Augen und sah den jungen Mann an.

“Helfen sie mir,” brachte er mühsam hervor.

“Na klar,” antwortete Jonas. “Sie müssen Declan Dunne sein. Aber Declan war schon wieder bewusstlos geworden.

Zusammen mit dem Sergeant befreite er den Professor aus seinem widerlichen Gefängnis.

 

Nordkalifornien, Freitag, 03. Mai 2002, 05:48 Uhr

Die Sonne war gerade am Aufgehen, als Stringfellow Hawke mit seinem Jeep durch die Wüste fuhr. Der Geländewagen gehörte auch zu Dominic Santinis “Vermächtnis”. Genau wie der Hubschrauber war er mit den “Stars And Stripes” der amerikanischen Nationalflagge lackiert. Er war zwar schon fast zwanzig Jahre alt, aber immer noch gut in Schuss. Die Wüste war durchsetzt von vereinzelten, steilen Sandsteinfelsen, ähnlich wie im Monument Valley in Utah. Hawke fuhr auf einen dieser Giganten zu, der sich in nichts von seinen Kameraden unterschied. Es gab hier nirgendwo eine Straße, und so hüpfte und hoppelte der Jeep wild umher, bis Hawke den Fuß des Monolithen erreicht hatte. Hier befand sich ein hoher Spalt, durch den man ins ausgehöhlte Innere des Felsen gelangen konnte. Hawke lenkte den Jeep hinein. Nach wenigen Metern gelangte er in eine Art natürliche Zitadelle. Das noch blasse Licht des Morgens schien schwach durch die große Öffnung in der Decke und warf einen Lichtkegel, der wie ein Scheinwerferspot wirkte, auf ein Gebilde in der Mitte der Zitadelle. Hawke hielt den Jeep an und schaltete den Motor ab. Er blieb eine Weile im Wagen sitzen und schaute auf das große Objekt, das vollständig von einer Plane bedeckt war. Der Ort hatte etwas von einer sakralen Majestät, der er sich kaum entziehen konnte. Vor allem nicht nach so langer Zeit. All die vielen Abenteuer, die er zusammen mit Dom und später mit Caitlin erlebt hatte, zogen noch einmal vor seinem geistigen Auge vorbei. Die gute Caitlin O’Shaugnessy... Die ehemalige Helicopter-Polizistin, die ihren Job an den Nagel gehängt hatte, um sich ihm und Dom anzuschließen - und natürlich die “Lady” zu fliegen. Sie war mittlerweile verheiratet und hatte zwei Kinder im Teenageralter. Viele Jahre war es her, dass Hawke die “Lady” zuletzt geflogen hatte. Ab und zu war er hergekommen, um nach dem rechten zu sehen und einige Wartungsarbeiten durchzuführen. Doch ihre Motoren hatten lange stillgestanden. Zu lange. Hawke spürte plötzlich, wie das Adrenalin durch seinen Körper schoss, als er voller Vorfreude daran dachte, die “Lady” wieder zum Leben zu erwecken. Ein Gefühl wie früher, vor all den Jahren... Hawke schwang sich aus dem Jeep und lief in die Mitte der Zitadelle. Er löste die dick mit Staub bedeckte Plane und zog sie herunter. Da stand er nun in all seiner Pracht vor ihm: Airwolf! Seinerzeit der fortschrittlichste, schnellste und gefährlichste Helicopter der Welt. Er konnte mit Hilfe seiner Turbos Mach 1 fliegen, verfügte über eine Vielzahl an computergesteuerten Waffensystemen und Sensorentechniken. Normalerweise benötigte der Pilot einen Co-Piloten, der den Waffenleitstand besetzte, aber da Hawke noch keinen Einsatz fliegen würde, war dies noch nicht notwendig. Er öffnete die Türe unter dem charakteristischen Zischen, denn die Innenkabine stand unter Druck, was auch nötig war für die Höhen, in denen der Kampfhubschrauber fliegen konnte. Hawke setzte sich in den Pilotensitz und startete die Bordsysteme. Die “Lady” erwachte zum Leben. Nacheinander leuchteten die dutzende von Anzeigen auf, piepsten elektronische Signale ihr o.k., während der Bordcomputer leise summend warm lief. Stringfellow Hawke ging sorgfältig die Checkliste durch, um nach solch einer langen Zeit der Inaktivität nichts zu übersehen. Doch der Dornröschenschlaf hatte Airwolf nicht geschadet. Alle Systeme waren A-OK, so dass er die Motoren startete. Als das typische Geräusch der warmlaufenden Rotoren einsetzte, konnte sich Hawke den Anflug eines Lächelns nicht verkneifen. Es ging wieder los. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, wie sehr er all dies vermisst hatte. Trotz der Ernsthaftigkeit dieser Mission nahm er sich vor, seine Zeit mit der “Lady” zu genießen. Wer wusste schon, wann er sie wieder fliegen würde? Als die Rotoren ihre optimale Umdrehungszahl erreicht hatten, hob Airwolf sanft vom sandigen Boden ab. Senkrecht stieg er in der Zitadelle empor, dem Sonnenlicht entgegen. Er flog aus der Öffnung des Felsens wie der Phönix aus der Asche. Dann aktivierte Hawke die Turbos, und der Hubschrauber schoss mit wahnwitziger Geschwindigkeit davon.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 06:31 Uhr

General Hammond, Bonnie, Sam Carter, Miranda und Jakob/Selmak warteten schon, als die Soldaten die Opfer aus dem Kampf gegen das Alien in die Basis brachten. Keiner von ihnen hatte in dieser Nacht Schlaf gefunden, obwohl Bonnie vom vielen Weinen völlig erschöpft war. Davor zeugten die roten Ränder um ihre braunen Augen. Auch Miranda sah nicht viel besser aus, doch in ihren Augen glomm noch ein winziger Hoffnungsschimmer, dass ihr Freund Declan überleben würde. Major Carter und General Hammond dagegen - obwohl sie vor Sorgen um ihre Kameraden fast verrückt wurden - schoben ihre militärische Disziplin vor und zeigten kaum ein Gefühl. Jakob Carter erlaubte es sich dennoch, einen Arm um seine Tochter zu legen. Michael, Declan, O’Neill, Teal’c und die anderen Verletzten und Toten wurden auf Bahren in die Krankenstation der Basis gerollt. Abseits stehend schauten ihre Kameraden zu, wie die Opfer von der Stabsärztin Dr. Janet Fraser und ihrem Team untersucht wurden. Ein Assistenzarzt bat sie dann jedoch, das Lazarett zu verlassen. Dr. Fraser würde ihren Bericht abliefern, sobald sie mit den Untersuchungen fertig waren. Während sie zurück in den Konferenzraum gingen, aktivierte Bonnie ihr eigenes Comlink, das sie mit K.I.T.T. verband. Dieser hatte es vorgezogen, an der Oberfläche zu bleiben, um niemandem im Weg zu stehen. Er parkte stumm auf einem Parkplatz innerhalb der Basis.

“K.I.T.T., bist du da?” fragte Bonnie.

“Ja, Bonnie. Ich befinde mich oben auf einem Parkplatz,” antwortete die künstliche Intelligenz.

“Wie haben Shawn und Maddock reagiert?”

“Nun, Shawn ist völlig am Boden zerstört und Mr. Maddock... nun, sie wissen ja, wie er ist. Er versucht die Fassung zu behalten.”

“Ich werde später nach dir sehen,” sagte Bonnie und musste wieder ihre Tränen unterdrücken.

Es dauerte gut eineinhalb Stunden, bis Dr. Fraser ihren Bericht ablieferte. Die junge Ärztin war mit dem SG-1-Team sehr gut bekannt, ja sogar befreundet, weswegen sie die Ereignisse genauso getroffen hatten wie die unmittelbaren Team-Kameraden. Doch ihre ärztliche Professionalität verhinderte, dass ihr ihre persönlichen Gefühle im Weg standen. Dementsprechend sachlich fiel ihr Bericht aus. Alle lauschten gespannt ihren Worten.

“Colonel O’Neill liegt immer noch im Koma. Seine Verletzungen sind erheblich. Ich glaube nicht, dass er die Nacht überstehen wird.”

Samantha Carter hatte das Gefühl, dass etwas in ihr sterben würde. Sie mochte Jack viel mehr als nur als Freund, obwohl sie das nicht zugeben würde.

“Teal’c ist auch schwer verletzt, aber die Goa’uld-Larve in seinem Körper hat schon begonnen, die Wunden zu heilen. Seine Lebenszeichen sind beständig. Ich denke, dass er wieder gesund wird.”

Carter, ihr Vater, Hammond und Quinn atmeten innerlich auf. Wenigstens würden sie keinen zweiten Freund verlieren.

“Die restlichen Soldaten sind teilweise auch schwer verletzt, jedoch nicht lebensbedrohlich.”

General Hammond nahm diese Information kopfnickend auf.

“Was ist mit Declan?” Miranda konnte sich nicht mehr beherrschen. Ihr taten zwar die anderen Verletzten leid, aber sie kannte sie nicht persönlich. Declan jedoch war ihr bester Freund - mindestens.

Dr. Fraser schaute nervös die Anwesenden an.         

“Was ihn betrifft, habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht,” antwortete sie. “Die gute ist die, dass Dr. Dunne bei Bewusstsein ist. Sie können gleich zu ihm, Miss Finkelstein.”

Miranda fiel ein Stein vom Herz, doch der warnende Unterton in der Stimme der Ärztin behagte ihr ganz und gar nicht.

“Die schlechte ist,” fuhr sie fort, “die außerirdische Lebensform hat ihm eine Art Embryo eingepflanzt, den wir nicht entfernen können.”

“Was?” rief Miranda. “Was bedeutet das?”

“Nun, dieser Embryo wächst in ihm heran, und zwar mit rasender Geschwindigkeit. Wir wissen nicht, auf welche Weise er seinen Körper wieder verlässt.”

Miranda hielt sich die Hände vor den Mund, und sie begann zu weinen. Bonnie, die neben ihr saß, nahm sie in die Arme.

“Danke, Dr. Fraser,” sagte General Hammond. Wir wissen, dass sie ihr bestes geben, um den Opfern zu helfen.”

“Dr. Fraser, kann ich Michael sehen?” fragte Bonnie.

“Ich glaube, das ist keine gute Idee,” erwiderte die Ärztin. “Es ist kein schöner Anblick. Behalten sie ihn lieber so in Erinnerung, wie sie ihn kannten.”

Bonnie schloss die Augen und drückte die schluchzende Miranda fest an sich. In diesem Moment klingelte das Telefon auf dem Konferenztisch. Hammond nahm ab und hörte sich die Meldung an. Dann sah er ernst in die Runde und verkündete:

Airwolf ist eingetroffen!”

Die Anwesenden sahen sich fragend an, bis Jonas Quinn fragte:

“Was ist Airwolf?”

 

 Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 08:24 Uhr

General Hammond war nicht darum herumgekommen, allen Beteiligten zu erklären, worum es beim Projekt Airwolf gegangen war. Es handelte sich um einen geheimen Kampfhubschrauber, den fortschrittlichsten der achtziger Jahre. Er war von einem damaligen Geheimdienst in Auftrag gegeben worden, doch sein Erfinder hatte sich gegen seine Auftraggeber gewandt und Airwolf gestohlen. Der Geheimdienst setzte daraufhin einen ehemaligen Topagenten namens Stringfellow Hawke auf ihn an. Diesem gelang es tatsächlich, den Hubschrauber zurückzubringen, jedoch versteckte er ihn vor dem Geheimdienst als Pfand. Der Geheimdienst hatte nämlich versprochen, seinen in Vietnam vermissten Bruder zu finden, ein Versprechen, das nicht gehalten wurde. Hawke wollte Airwolf gegen seinen Bruder eintauschen, woraufhin die Suche erneut begann. In der Zwischenzeit einigte man sich darauf, dass Hawke mit Airwolf geheime Missionen fliegen sollte. Hawkes Bruder wurde nie gefunden und ein neuer Hubschraubertyp entwickelt. Hawke hatte Airwolf nicht wieder herausgerückt, und der Geheimdienst hatte ihn ihm schließlich überlassen.

“Aber wenn dieser Hubschrauber völlig veraltet ist, wie kann er uns dann nützen?” wollte Jonas wissen.

“Er ist nicht völlig veraltet,” entgegnete der General. “Obwohl er fast zwanzig Jahre alt ist, ist er auf dem neuesten Stand der Technik. Sein damals futuristisches Design ist heutzutage völlig unauffällig, weswegen wir ihn ungetarnt einsetzen können. Hauptgrund ist jedoch seine einzigartige Elektronik, die speziell nur für diesen einen Prototypen entwickelt worden war. Airwolf ist wahrscheinlich das einzige Fluggerät, das mit den Systemen des Raumschiffs kompatibel sein könnte. Außerdem kann er mit Schallgeschwindigkeit fliegen.”

Jonas leuchtete die Antwort des Generals ein. Während alle einen kurzen Abstecher in die Krankenstation machten, ging Hammond los, um Stringfellow Hawke zu begrüßen. Als er den Hangar betrat, kam gerade der riesige Frachtlift am Boden an, der speziell für den Transport von Flugzeugen ins unterirdische Innere des Stützpunktes konstruiert worden war. Die Tür des darauf befindlichen Helicopters öffnete sich zischend, und heraus kletterte ein mittelgroßer, schlanker Pilot, der einen hellblauen Fliegeroverall und einen futuristisch aussehenden, schwarzen Helm trug. Hawke nahm den Helm ab und legte ihn auf den Pilotensitz. Dann ging er zu General Hammond, der schon auf ihn zukam.

“Mr. Hawke, ich bin General Hammond,” stellte sich der beleibte Offizier vor.

Hawke schüttelte die ihm dargebotene Hand. “Sie sind also Archangels alter Bekannter?” vermutete er.

“Ich habe ihn vor vielen Jahren kurz einmal getroffen, aber ich hatte Zugang zu allen Informationen Airwolf betreffend.”

“Sie wissen, dass ich mich aus diesem Geschäft schon lange zurückgezogen habe?” sagte Hawke eher feststellend als fragend.

“Gewiß, aber dies hier ist ein absoluter Notfall, Mr. Hawke. Wir brauchen dringend ihre Hilfe. Lassen sie mich ihnen erzählen, um was es geht.”

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 08:31 Uhr

Schüchtern trat Miranda Finkelstein in Declans Krankenzimmer. Er hatte ein Einzelzimmer, das von zwei bewaffneten Soldaten bewacht wurde. Offensichtlich traute man dem Umstand nicht, dass sich ein außerirdischer Embryo in seinem Körper eingenistet hatte. Wie alle Räumlichkeiten in diesem unterirdischen Stützpunkt war das Krankenzimmer nicht mehr als eine spartanisch eingerichtete Zelle mit unverputzten Betonwänden. Allerdings war alles sehr sauber und hell. Declan saß in seinem Bett und aß gerade eine Suppe. Es sah sogar so aus, als würde er sie gierig hinunterschlingen.

“Miranda,” begrüßte er seine Freundin, als er sie bemerkte. Sein Gesicht war ausdruckslos.

“Oh, Declan, was hast du wieder angestellt!” sagte Miranda und fiel ihm um den Hals, wobei er fast die Suppe verschüttet hätte.

“Hey, ist ja gut, ich lebe ja noch,” antwortete er, wobei ihm und Miranda das Wörtchen noch bitter aufstieß.

“Weißt du über alles bescheid?”

Miranda nickte.

“Hör zu, du musst an der Uni anrufen und mich krank melden. Und sag’ auch Peggy bescheid; sie soll unbedingt nach Mal sehen, aber erzähl’ ihr nicht, dass ich die Leihmutter eines Aliens bin.” Über seinen Anflug von Humor mussten beide nicht lachen.

“Möchtest du nicht lieber selbst mit ihr sprechen?” fragte Miranda.

“Ja, du hast recht. Wenn ich selbst mit ihr rede, kann ich sie beruhigen. Ansonsten würde sie sich zu viele Sorgen machen.”

“Oh, Declan, was ist, wenn...” begann Miranda und brach erneut in Tränen aus.

“Du meinst, wenn ich dabei draufgehe, hm?” sagte Declan und hielt ihre Hand. Daraufhin musste die junge Frau noch mehr weinen.

“Hey, nach meinem Appetit zu urteilen, gehts mir gut,” versuchte er sie zu trösten. Es tat ihm leid, dass sie ihn so sehen musste. Er hatte Angst. Wahnsinnige Angst sogar. Doch dass Miranda bei ihm war, gab ihm die Kraft, dies nicht zu zeigen. Er war sich aber durchaus im klaren darüber, dass seine Zeit höchstwahrscheinlich abgelaufen war.

Zur gleichen Zeit befanden sich die übrigen Mitglieder des SG-1-Teams sowie Jakob Carter im Krankenzimmer von Jack O’Neill und Teal’c. Beide Männer waren bewusstlos und lagen in Sauerstoffzelten. Ihre Lebenszeichen wurden ständig von medizinischem Personal überwacht. Dr. Fraser kontrollierte die Monitore und machte sich Notizen.

Nach einer Weile legte Jakob seiner Tochter die Hand auf die Schulter. “Samantha, du kannst hier nichts für sie tun,” sagte er. “Leg’ dich doch etwas hin.”

Sie schüttelte heftig den Kopf. “Nein, Dad, ich kann jetzt nicht schlafen. Aber du hast recht, ich stehe hier nur im Weg. Ich werde wieder an die Arbeit gehen, schließlich ist dieser Hubschrauber angekommen.”

“Ich komme mit dir,” sagte Jakob. Jonas schloss sich den beiden an.

Im Hangar trafen sie auf Bonnie Barstow und einen ungläubig dreinblickenden Stringfellow Hawke, der ihnen vom General vorgestellt wurde.

“Major Carter ist die technische und wissenschaftliche Leiterin des Projekts,” sagte Hammond.

“Ich habe mir nie viel Gedanken über außerirdisches Leben gemacht,” erzählte Hawke. “Glauben sie wirklich, dass sie deren Technik in Airwolf einbauen können?”

“Zumindest müssen wir es versuchen,” antwortete Sam. “Sie können mir dabei helfen, denn wenn ich es richtig verstanden habe, sind sie der einzige, der sich mit Airwolf auskennt.”

“Na, dann mal ran,” erwiderte Hawke.

 

Portland, Oregon, Freitag, 03. Mai 2002, 09:16 Uhr

“Das hier ist ein vorübergehend stillgelegter Teil der Kanalisation,” erklärte Bob MacDreary dem Beamten des Ordnungsamtes. MacDreary war ein korpulenter, dunkelhaariger Mann, der bereits seit über zwanzig Jahren für die Stadtwerke von Portland arbeitete.

“Der Strom ist hier immer noch eingeschaltet, weswegen die Penner in letzter Zeit gerne hier herkommen.”

Jake Tanner, dem Mitarbeiter des Ordnungsamtes, war vorhin schon aufgefallen, dass in regelmäßigen Abständen Leuchtstoffröhren an der Decke angebracht waren, die allerdings nur ein diffuses Licht verbreiteten. Für die dunkleren Ecken waren die Taschenlampen sehr vorteilhaft. Tanner war ein junger, Gutaussehender Mann Ende zwanzig, dem allerdings die Büroarbeit mehr lag, als in einer übel riechenden Kanalisation spazieren zugehen.

“Und wo sind sie dann alle?” fragte er den älteren Mann.

“Keine Ahnung,” entgegnete Bob MacDreary. “Als ich Montag morgen hier drin war, lungerten mindestens zwei dutzend von den Typen hier ‘rum. Hier, sehen sie, da liegen ihre Sachen.” Er zeigte auf schmutzige Decken, Pappkartons und Abfälle, die hier und da auf dem Boden lagen.

“Was ist da vorne?” wollte Jake Tanner wissen.

“Der Gang geht noch ungefähr eine halbe Meile weiter, aber so weit sind die noch nie ‘reingegangen. Wozu auch?” MacDreary zuckte mit den Schulter.

“Wenn wir schon hier sind, schauen wir uns da hinten auch noch um,” meinte Jake und ging voran.

Der Gang machte kurz darauf eine leichte Biegung. Sofort fiel den beiden Männern auf, dass es hier dunkel war. MacDreary schaltete seine Taschenlampe ein und leuchtete an die Decke. Die Neonröhre war kaputt. Der Strahl wanderte weiter. Auch die nächste war offensichtlich zerschlagen worden.

“Seltsam,” murmelte er.

“Nun, dann kommt auch noch Sachbeschädigung dazu,” sagte Tanner.

“Hey, da vorne is’ ‘was,” meldete Bob. “Was zum Teufel...”

“Oh, mein Gott!” rief Tanner.

Den beiden Männern bot sich ein Bild des Grauens. Die Tunnelwände waren über und über mit bleichem Schleim bedeckt, der wie ein Gespinst an Fußboden, Wänden und Decke klebte. In dem Schleim hingen die Körper von über zwanzig Obdachlosen. Sie hatten alle etwas gemeinsam: Ihre Brustkörbe waren von innen nach außen geborsten. Es war offensichtlich, dass keiner von ihnen mehr am Leben war. In diesem Moment schien die Dunkelheit lebendig zu werden. Im blassen Licht der Taschenlampen gab es Reflexionen, die von der mattschwarzen, gepanzerten Haut unbeschreiblicher Monster herrührten, die langsam auf die beiden Männer zukamen. Bob und Jake waren gelähmt vor Angst. Sie hatten keine Chance.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 12:10 Uhr

Die Mitarbeiter der Geheimbasis gönnten sich eine wohlverdiente Mittagspause. Da Miranda sowieso keinen Appetit hatte, war sie gleich zu Declan gegangen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Sie hatte den anderen gestanden, dass sie Declan alles über ihre Arbeit hier erzählt hatte. Niemand hatte etwas dagegen gehabt, denn alle wussten um den gesundheitlichen Zustand des Professors. Die junge Wissenschaftlerin fand Declan beim Mittagessen vor. Er hatte gerade das Hacksteak mit Kartoffelpüree und Erbsen verschlungen und machte sich nun über den Nachtisch her.

“Wie gehts dir?” fragte sie.

“Hm, eigentlich fühle ich mich ganz wohl,” erwiderte er mit vollem Mund. “Hätte nicht gedacht, dass Krankenhausessen so gut schmecken kann.”

Dieser Appetit ist nicht normal, dachte sich Miranda, sagte jedoch nichts. Sie wollte Declan nicht noch mehr deprimieren.

“Wie kommt ihr voran?” fragte er, während er einen weiteren Löffel voll Wackelpudding zu sich nahm.

“Ganz gut. Die Umrüstung scheint zu funktionieren. Allerdings brauchen wir noch eine Weile. Hast du mit Peggy telefoniert?”

“Uhm-hm,” machte Declan. “Ich hab’ ihr erzählt, dass wohl eine Erkältung im Anflug ist. Sie hat keinen Verdacht geschöpft.”

“Was ist mit Mal?”

“Ich werde sie heute Abend noch mal anrufen und ihr sagen, dass ich dringend weg muss. Sie soll dann nach Feierabend nach ihm sehen.”

“Hast wohl an alles gedacht, hm?”

“Tja, weißt du, Miranda, in meiner Situation macht man sich so seine Gedanken. Übrigens werde ich nachher... na ja, mein Testament machen.”

Miranda verzog das Gesicht. “Declan...” fing sie an, wurde jedoch von ihrem Freund unterbrochen.

“Nein, ist schon in Ordnung. Ich...” Diesmal war es Declan, der den Satz nicht zu Ende brachte. Miranda sah auf.

“Was ist los?”

Declan hatte aufgehört zu essen. Er schien Schluckbeschwerden zu haben. Plötzlich schrie er auf und wurde von schweren Krämpfen geschüttelt. Das Tablett mit dem Geschirr krachte zu Boden.

“Declan!” schrie Miranda. Der Lärm hatte auch die Wachen auf das Geschehen aufmerksam gemacht. Sie stürmten in das Krankenzimmer und beobachteten, wie Declan schreiend um sich schlug.

“Rufen sie einen Arzt!” schrie Miranda, woraufhin einer der Soldaten in sein Funkgerät sprach.

Miranda versuchte, Declan auf seinem Bett festzuhalten, damit er sich nicht selbst verletzte, doch er war stärker als sie. Plötzlich bäumte er sich auf und streckte die Brust nach vorne. Voller Unglauben beobachteten Miranda und die Wachen, wie sich seine Brust unter dem Krankenhemd immer weiter dehnte. Declan schrie wie am Spieß. Ohne weitere Vorwarnung explodierte sein Brustkorb und verspritzte alles im Umkreis von mehreren Metern mit Blut. Miranda schrie auf. Instinktiv wischte sie sich Declans Blut aus den Augen und musste mit ansehen, wie etwas aus seinem Brustkorb gekrochen kam! Das Ding war etwa dreißig Zentimeter groß, hatte einen übergroßen, augenlosen Kopf und eine Reihe winziger, spitzer Zähne. Mit zwei winzigen, klauenbewehrten Ärmchen kletterte es aus der Brusthöhle, fauchte die drei Menschen an und sprang mit einem Satz vom Bett. Es benutzte seinen langen, schlangenartigen Schwanz als Fortbewegungsmittel und schoss geradezu über den Fußboden, zwischen den Beinen der verblüfften Wachen hindurch zur Tür hinaus. Ehe diese reagieren konnten, war das Wesen auch schon verschwunden. Einer der Soldaten gab per Funk Meldung, und beide rannten in den Korridor, um das Alien-Baby zu suchen. Gleich darauf stürmten Dr. Fraser und ihr Ärzteteam in das Krankenzimmer. Die Mediziner hatten während ihrer Zeit beim Stargate-Kommando schon viel gesehen, aber noch nie so etwas. Einige mussten sich abwenden. Dr. Fraser kümmerte sich zuerst um Miranda. Die junge Frau stand blutüberströmt da und hatte sich ebenfalls abgewandt. Sie starrte ins Leere und rührte sich nicht. Offenbar stand sie unter Schock.

 

 Cheyenne Mountain-Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 15:59 Uhr

Nach dem Vorfall mit Professor Dunne hatte General Hammond die Basis in Alarmzustand versetzt. Obwohl der ganze Komplex durchsucht worden war, war das Alien nicht gefunden worden. Miranda Finkelstein hatte einen sehr schweren Schock davongetragen. Dr. Fraser hatte ihr ein Schlafmittel gegeben. Sie schlief nun in einem bewachten Krankenzimmer. Die Umrüstungsarbeiten an Airwolf waren langsam aber sicher vorangekommen. Stringfellow Hawke zeigte sich über die Leistungsfähigkeit der außerirdischen Sensoren beeindruckt. Er hatte sich von Major Carter und Dr. Barstow ihre Funktionsweise erklären lassen.

“Wenn ich sie richtig verstanden habe,” fasste er zusammen, “sind die Scanner dann in der Lage, jedwede DNS aus der Luft zu orten, vorausgesetzt die DNS wurde vorher einprogrammiert?”

“Richtig,” erwiderte Bonnie Barstow.

“Also wie ein Spürhund, dem man ein Kleidungsfetzen unter die Nase hält.” Hawke musste dabei unwillkürlich an seinen alten Hund Ted denken, der alles andere als ein guter Spürhund gewesen war.

“So könnte man sagen,” antwortete Bonnie.

“Wie groß ist die Reichweite dieser Sensoren?”

“Das können wir noch nicht sagen,” erklärte Major Carter. “Aber da sie in einem Raumschiff eingebaut waren, müsste ihre Reichweite enorm sein. Die Thereons wollten sie wohl mindestens aus dem Orbit heraus benutzen, wenn nicht von noch weiter weg.”

Hawke pfiff leise durch die Zähne. “Damit wäre Airwolf dann ja wieder interessant”, murmelte er.

“Hören sie, Major,” sagte er dann wieder an Samantha Carter gewandt, “ich werde einen Co-Piloten brauchen, der diese Sensoren bedient. Und falls wir diese Aliens auch aus der Luft bekämpfen wollen, müsste ich eine alte Freundin informieren. Jemand anders in die Waffensysteme von Airwolf einzuweisen, würde zu lange dauern.”

Carter nickte. “Vorerst lautet der Befehl nur, mit dem umgerüsteten Airwolf die Aliens ausfindig zu machen. Zu diesem Zeitpunkt sind keine weiteren  Gegenmaßnahmen geplant. Bevor wir eine weitere Person einweihen, warten wir erst neue Befehle ab, okay?”

“Alles klar. Wen schlagen sie als Co-Piloten vor?”

“Nun, in Frage kommen nur die Leute, die in den letzten Stunden an den Sensoren gearbeitet haben und sich damit auskennen. Miranda fällt aus, Dr. Barstow ist Zivilistin - also bleibe nur noch ich übrig.”

“Okay. Da sie zur Air Force gehören, muss ich mir ja wohl keine Gedanken machen,” antwortete Hawke.

 Eine Lautsprecherdurchsage des Generals unterbrach ihre Unterhaltung. Er informierte das Team, dass Teal’c soeben aufgewacht und ansprechbar war. Carter und ihr Vater liefen daraufhin in die Krankenstation, wo sie schon General Hammond und Jonas Quinn erwarteten. Dr. Fraser führte gerade einige Untersuchungen an dem Jaffa durch.

“Die Goa’uld-Larve hat ihnen wieder einmal das Leben gerettet,” sagte die Ärztin zu Teal’c. “Aber sie sind immer noch sehr schwach und nicht einsatzfähig.”

“Hey, Teal’c, wie geht’s?” fragte Sam.

“Mir geht es gut, aber was ist mit Jack O’Neill?” Teal’c warf einen Blick hinüber zu dem anderen Sauerstoffzelt. Die Freude in den Gesichtern seiner Freunde wich Betroffenheit.

“Er wurde lebensbedrohlich verletzt,” erklärte Dr. Fraser. “Es steht nicht gut um ihn.”

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Freitag, 03. Mai 2002, 20:46 Uhr

Nach dem Abendessen hatte sich Bonnie Barstow bei den anderen kurz entschuldigt. Sie brauchte einfach eine Pause, wofür jeder Verständnis zeigte. Ihr wurde gestattet, an die Oberfläche zu fahren, um sich mit K.I.T.T. zu treffen. Es war zwar eine sternklare Nacht, doch die grellen Flutlichtscheinwerfer der Militärbasis überdeckten ihren Glanz. Bonnie schlenderte zu dem schwarzen Pontiac hinüber.

“Hallo, K.I.T.T.!” sagte sie.

“Hallo, Bonnie!” erwiderte K.I.T.T.

Obwohl sein Tonfall für jeden Außenstehenden sachlich klingen musste, erkannte Bonnie in ihm aufgrund ihrer langjährigen Freundschaft zu der künstlichen Intelligenz eine Spur Traurigkeit. Das Fahrzeug öffnete einladend die Fahrertür. Bonnie setzte sich hinein und schloss die Tür. Sie atmete tief durch. Endlich fühlte sie sich ein klein wenig besser, in dieser vertrauten Umgebung eines guten Freundes.

“Wie geht ihre Arbeit voran?” fragte K.I.T.T.

 “Ganz gut. Wir denken, dass wir morgen irgendwann mit der Umrüstung fertig sein sollten.”

Bonnie wusste, dass K.I.T.T. genauso wenig wie sie im Moment an diesem Thema interessiert war. Daher kam sie zur Sache.

“Wie fühlst du dich?” fragte sie.

“Vor einigen Jahren hätte ich wohl noch geantwortet, dass ich zu keinen Gefühlsregungen fähig bin, doch mittlerweile bin ich emotional gewachsen. Ich kann zumindest rudimentär Gefühle empfinden.” Und nach einer kurzen Pause fuhr er fort: “Wie könnt ihr Menschen das nur ein Leben lang aushalten?”

“Einige zerbrechen daran,” antwortete Bonnie.

 “Und sie?”

Bonnie dachte einen Augenblick nach und antwortete dann: “Ich habe die Foundation schon zweimal verlassen. Schon zweimal habe ich mich von Michael und dir getrennt. Aber das war anders. Ihr wart ja noch da. Und als Devon starb gehörte ich nicht mehr zur Foundation. Dies hier ist völlig anders. Der Gedanke, dass ich Michael niemals wieder sehen werde...” Sie fühlte, wie Tränen in ihre Augen stiegen.

“Ich habe mit Mr. Maddock gesprochen,” wechselte K.I.T.T. das Thema. “Er möchte Michael feierlich mit allen Ehren beisetzen lassen. Er hat sich schon um seine Überführung gekümmert. Die Beerdigung ist für Montag geplant.”

Bonnie sagte nichts dazu. Sie saß nur da und starrte ins Leere. K.I.T.T. schwieg ebenfalls.

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Samstag, 04. Mai 2002, 04:44 Uhr

In den vergangenen Tagen hatten alle Beteiligten kaum Schlaf gefunden. Nachdem bei einigen erhebliche Ermüdungserscheinungen aufgetreten waren, hatte General Hammond Nachtruhe befohlen. Doch es sollte nicht sein. Um 04.36 Uhr erlag Colonel Jack O’Neill seinen schweren Verletzungen. Der Nachtarzt weckte daraufhin Dr. Fraser, die wiederum ihre Kameraden informierte. Nun standen sie alle um sein Bett versammelt, um Abschied von einem großartigen Menschen zu nehmen. Jack hatte seinen Sohn verloren; seine Frau hatte sich von ihm getrennt. Das SG-1-Team war seine neue Familie geworden. Er war nur auf dem Papier ein vorgesetzter Offizier, stattdessen jedem von ihnen der beste Freund gewesen. Samantha weinte um den humorvollen, unorthodoxen Soldaten, mit dem sie schon seit langem mehr als nur Freundschaft verband, etwas, das nie einer von ihnen ausgesprochen hatte. Die Stimmung war an einem Tiefpunkt angelangt. Natürlich konnte keiner von ihnen weiterschlafen.

 

 Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Samstag, 04. Mai 2002, 18:47 Uhr

Die Umrüstung von Airwolf war beendet. Allem Anschein nach funktionierten die thereonischen Sensorensysteme, die nun mit dem Bordcomputer des Helicopters verbunden waren. Die Scanner selbst waren relativ kleine Empfangseinheiten, die an Airwolfs Unterseite provisorisch angebracht worden waren. Stringfellow Hawke war gerade dabei, die Bordsysteme zu checken, als Major Samantha Carter zum Cockpit gelaufen kam. Sie trug einen olivfarbenen Fliegeroverall. Vor dem Hubschrauber standen alle Beteiligten, um dem Start ihrer letzten Hoffnung zuzusehen. General Hammond, Bonnie Barstow, Jonas Quinn, Selmak, ja sogar Teal’c und Miranda hatten sich dazu aufgerappelt. Bevor sie ins Cockpit einstieg, sagte Major Carter: “Wie gesagt, wir werden das Gebiet um die Absturzstelle weiträumig abtasten. Die Orte, von denen Vorfälle gemeldet wurden, sind miteingespeist worden. Daraus lässt sich ein eindeutiges Muster erkennen, nämlich dass die Aliens in bewohnte Gebiete abwandern. Sie werden unsere Sensorenabtastung hier live mitverfolgen können.”

“In Ordnung, Major,” antwortete Hammond. “Ihnen und Mr. Hawke viel Erfolg!”

“Danke, Sir,” entgegnete Sam. “Wieder sehn!”

Als der riesige Frachtlift aktiviert wurde, auf dem Airwolf stand, traten alle zurück. Der Hubschrauber wurde langsam nach oben gefahren, bis er aus dem Sichtfeld der Zurückgebliebenen verschwunden war. Als sich das Dach über dem Lift öffnete und Airwolf im Freien stand, startete Hawke die Rotoren und bat um Starterlaubnis, die ihm sofort erteilt wurde. Kurz darauf hob die “Lady” ab und drehte sich nach Nordwesten. Hawke aktivierte die Turbos, und Airwolf schoss mit Schallgeschwindigkeit dem Sonnenuntergang entgegen.

 

 Oregon, Samstag, 04. Mai 2002, 20:13 Uhr

Während des Fluges hatte sich Major Carter sehr beeindruckt von Airwolfs Fähigkeiten - insbesondere den Turbos - gezeigt. Ihre interessierten Fragen wurden von dem normalerweise wortkargen Hawke umfassend beantwortet. Er mochte diese Samantha Carter irgendwie. Als sie den östlichen Rand des Zielgebietes erreicht hatten, hatte Carter die fremden Sensoren aktiviert, jedoch nichts gefunden. Das wunderte sie eigentlich nicht, denn sie überflogen gerade eine menschenleere Wildnis, in der es nur vereinzelt kleine Ortschaften gab. Als sie sich jedoch der Pazifikküste näherten und den größeren Städten im Umfeld von Portland näherten, schlugen die Scanner erstmals Alarm. Hawke sah interessiert zu Sam hinüber, die die Sensoren bediente. “Was orten sie?” wollte er wissen.

“Ich fange hier eine ganze Reihe von Lebenszeichen auf,” erwiderte Sam. “Basis, empfangen sie die Übertragung?”

Aus den Lautsprechern in ihren Helmen hörten sie General Hammonds Antwort. “Ja, Major. Wir sitzen alle hier im Konferenzraum und beobachten die Übertragung. Es scheinen mehr als nur sechs Lebensformen zu sein.”

“Allerdings, Sir,” entgegnete Carter. “Ich orte hier in der Stadt Candy alleine acht DNS-Muster, die denen der Königinnen ähneln.”

“Heißt das, sie haben sich schon vermehrt?” fragte Hawke.

“Das ist die einzige Erklärung,” erwiderte Samantha. “Wir sind jetzt über Oregon City - zwölf Aliens... daneben Lake Oswego - siebzehn...”

“Mein Gott!” rief der General über Funk.

Samantha sog plötzlich scharf die Luft ein. “General, sehen sie das? Im Großraum Portland empfange ich 57 DNS-Muster!”

“Mr. Hawke,” sagte Hammond, “überfliegen sie die gesamte Küstenregion großräumig. Wir brauchen möglichst genaue Zahlen.”

“Roger,” antwortete Hawke und änderte den Kurs.

Innerhalb kürzester Zeit hatten sie die komplette Region abgetastet, von Longview im Norden bis Eugene im Süden. Insgesamt wurden 124 Aliens entdeckt. Ihr Wandermuster deutete darauf hin, dass sie sich weiter bis nach Washington und Kalifornien ausbreiten würden.

“Ich hatte gedacht, dass wir es vielleicht mit sechs einzelnen Nestern zu tun haben würden,” erklärte General Hammond. “Aber diese Werte sagen eindeutig aus, dass sich die Aliens einzeln verbreiten, und zwar in einer rasenden Geschwindigkeit”

“So ist es, Sir,” entgegnete Major Carter. “Und den Werten nach zu urteilen, handelt es sich bei etwa jedem vierten Alien um eine Königin. Das heißt, wenn sie sich weiterhin in diesem Tempo vermehren, ist es unmöglich, sie einzeln aufzuspüren und zu bekämpfen.”

Auf den Gesichtern der im Konferenzraum Anwesenden spiegelte sich das blanke Entsetzen.

“Das ist bereits jetzt unmöglich,” sagte Hammond leise.

“Aber was sollen wir jetzt tun? Airwolf war unsere einzige Hoffnung!” warf Bonnie ein.

Hammond starrte grübelnd ins Leere. Nach einigen Augenblicken antwortete er: “Nein. Es gibt noch eine andere!”

 

Cheyenne Mountain Complex, Colorado, Sonntag, 05. Mai 2002, 00:45 Uhr

Airwolf war auf die Basis zurückgekehrt. Carter und Hawke wurden vom General, Selmak und Jonas Quinn empfangen. Bonnie, Miranda und Teal’c hatten sich früher am Abend schlafen gelegt.

“Sir, wir melden uns zurück,” sagte Samantha.

“Gute Arbeit, Major, Mr. Hawke,” entgegnete Hammond.

“Nur, dass es uns wenig gebracht hat,” meinte Hawke. “Jetzt wissen wir zwar, wo sich die Aliens aufhalten, aber nicht, wie wir sie stoppen können.”

“Wir könnten den Großraum theoretisch evakuieren und unter Quarantäne stellen, aber dann wissen wir immer noch nicht, wer von den

Menschen bereits von den Aliens infiziert wurde,” überlegte Sam.

“Abgesehen davon, dass dies unsere komplette Geheimhaltung zunichte machen würde, sehe ich keine Chance, so einen Plan in die Praxis umzusetzen,” erwiderte der General.

“Und was sollen wir dann tun? Zusehen, wie die Erde langsam aber sicher von den Aliens übernommen wird?”

Hammond schüttelte den Kopf. “Ganz sicher nicht. Um das Problem wird sich gerade gekümmert.”

Carter runzelte die Stirn. “Wie meinen sie das, Sir? Wer kümmert sich um das Problem?”

“Das ist streng geheim, sogar für sie, Major. Sagen wir einfach, die Entscheidung wurde uns aus den Händen genommen und... jemandem... anderen übergeben,” antwortete Hammond mysteriös.

“Also können wir im Moment nichts mehr tun?” wollte Sam wissen.

“Wenn wir Glück haben, müssen wir in der Sache gar nichts mehr tun,” entgegnete der General. “Legen sie sich hin, Major. Sie haben genug getan.”

“Danke, Sir. Gute Nacht. Ihnen auch, Mr. Hawke,” sagte sie und verließ den Hangar.

“Schlafen sie gut,” rief ihr Hawke hinterher. Zu Hammond gewandt, meinte er nur: “Ich hoffe, diese super geheime Geheimorganisation weiß, was sie tut!”

“Das hoffe ich auch,” antwortete der General.

Beide Männer verließen den Hangar, um sich ebenfalls zu Bett zu begeben. Hawke schlug den Weg zu den Mannschaftsquartieren ein, wo er ein Einzelzimmer zugeteilt bekommen hatte. Auf dem Weg dorthin kam er an einer  handvoll Wachen vorbei, die in regelmäßigen Abständen postiert waren. Er fragte sich wieder einmal, was hier unten eigentlich sonst vorging. Es würde wohl nicht alle paar Tage ein außerirdisches Raumschiff abstürzen. Nein, diese Basis musste einem anderen Zweck dienen. Während des Fluges hatte er im Gespräch mit Samantha Carter ein-, zweimal dieses Thema angeschnitten, aber der Major war eisern geblieben. Nicht der kleinste Hinweis war über ihre Lippen gekommen. Damit konnte Hawke leben. Mit dem umgerüsteten Airwolf hatte er wieder einmal ein As im Ärmel, wie damals, vor fünfzehn Jahren. Es würde ihn nicht wundern, wenn das die “Firma” wieder auf den Plan rufen würde. Jetzt würden sie sich garantiert wieder für den “veralteten” Hubschrauber interessieren. Seine Gedanken wurden von einem Geräusch unterbrochen, das aus einer der dunkleren Ecken im Korridor kam. An dieser Stelle führten die dicken Rohre und Kabelleitungen, die sich hier unten überall an der Decke befanden, in die Betonwand und teilweise in den Boden. Dadurch gab es dort eine kleine Nische, die von den Deckenleuchten nicht abgedeckt wurde. Hawke sah sich um. Er war allein im Korridor; schließlich war ja Schlafenszeit. Die letzte Wache hatte er einige Abzweigungen vorher gesehen. Neugierig - aber zugleich auch vorsichtig - näherte er sich der Nische. Zuerst konnte er nichts erkennen, doch dann sah er, dass sich irgendetwas dunkles in der Dunkelheit bewegte. Im allerersten Moment hielt er es für eines der Leitungsrohre, das sich gelockert hatte, denn das Gebilde sah fast mechanisch aus und verschmolz so perfekt mit dieser Umgebung. Doch dann öffnete es zischend seinen gewaltigen Kiefer und machte einen Satz auf Hawke zu. Diesem gelang es gerade noch, dem fast völlig ausgewachsenen Alien auszuweichen. Er wirbelte herum und rannte den Korridor zurück, dabei Warnungen rufend. Er spürte förmlich, wie das Alien ihn verfolgte. War das schon der heiße Atem der Bestie in seinem Nacken oder nur Einbildung? Wie auch immer, er sah nicht zurück, sondern rannte um sein Leben. Nach der nächsten Biegung traf er auf zwei Wachen, die seine Warnrufe gehört hatten und mit entsicherten Gewehren angelaufen kamen.

“Knallt das Vieh ab!” schrie er und rannte neben den Soldaten vorbei, um ihnen nicht im Schussfeld zu stehen.

Direkt hinter ihm kam das Alien so schnell um die Ecke, dass die Soldaten vor Schreck erstarrten. Diese Schrecksekunde nutzte der außerirdische Killer, um einen der Soldaten mit seinem messerscharfen, spitzen Schwanz aufzuspießen. Er schrie blutspuckend auf und gab noch eine kurze Salve aus seinem automatischen Gewehr ab, bevor er es fallen ließ. Der zweite Soldat feuerte eine Salve auf die fremde Lebensform ab, doch die ersten Kugeln prallten an der panzerartigen Haut ab. Stringfellow Hawke hechtete auf den Boden und rutschte auf dem Bauch dem Fallengelassenen Gewehr entgegen. Er ergriff es, legte an und feuerte. Mit der Unterstützung durch Hawkes Salven durchdrangen die Kugeln der beiden Schützen schließlich die Haut des Aliens, doch nicht bevor es mit seinen langen, sechsfingrigen Klauen dem anderen Soldaten eine tiefe, klaffende Wunde in der Brust verpasste. Als die Kugeln das Exoskelett durchschlugen, spritzte grünes, säurehaltiges Blut meterweit durch den Korridor. Sowohl der Soldat als auch Hawke wurden getroffen. Mehrere Spritzer landeten auf seinem Gesicht und den Armen. Hawke schrie auf, feuerte aber weiter, bis sein Magazin leer war. Der Soldat wurde schwerer verätzt, da er aus unmittelbarer Nähe auf das Aliens geschossen hatte. Die Säure verbrannte sein Gesicht und fraß sich durch seine Splitterschutzweste. Er wurde ohnmächtig. Das Alien schrie schauerlich und fiel wild um sich schlagend zu Boden. Hawke rollte sich mit dem Gewehr aus der Reichweite der Klauen und des Schwanzes. Ein paar Meter entfernt kniete er sich hin, wechselte das Magazin und feuerte erneut auf das Wesen. Erst als auch dieses Magazin geleert war, rührte es sich nicht mehr. Nun kamen auch die restlichen Wachen angerannt, und kurz darauf auch alle anderen Bewohner dieses unterirdischen Levels.

“Das muss das Baby-Alien gewesen sein, von dem sie erzählt haben,” sagte Hawke zu General Hammond. Ein Sanitäter kümmerte sich um seine Verletzungen.

Dr. Fraser hatte die beiden anderen Soldaten untersucht und erstattete im Vorbeilaufen Bericht. “Sir, Rogers ist tot und Gordon lebensgefährlich verletzt. Wir bringen ihn auf die Notfallstation.”

Das Ärzteteam verschwand im nächsten Korridor. Alle sahen sich betroffen an.

“Hoffentlich hat das bald ein Ende,” sagte Miranda Finkelstein.

 

“Never Never Land”, irgendwo in Nevada, Sonntag, 05. Mai 2002, 00:51 Uhr

Durch die geheime Militärbasis mitten in der Wüste schallten die Alarmsirenen. Dies bedeutete einen weiteren Einsatz der ganz ungewöhnlichen Art. Trotz der fortgeschrittenen Stunde war Frank B. Parker noch auf. Er schaute sich im Fernsehen gerade die Aufzeichnung der letzten Folge von “Akte X” an, da er die Ausstrahlung letzte Woche aufgrund einer Mission verpasst hatte. Er saß auf dem Sofa seines gemütlich eingerichteten Einzimmer-Apartments innerhalb der Basis, die Füße auf dem niedrigen Couchtisch. Als der Alarm losging, wären ihm fast die Bierdose und die Chipstüte vor Schreck aus den Händen gefallen. “Oh, nein!” stöhnte er. “Gerade, wo’s spannend wird...” Er stellte seine Grundnahrungsmittel ab und knipste Fernseher und Videorekorder aus. Gerade wollte er die Tür öffnen, als auch schon Captain Craig Donovan hereinstürzte, sein alter Freund aus Militärtagen. Frank Parker war früher ein CIA-Spezialagent gewesen, der aufgrund seiner heiklen und Nervenzermürbenden Missionen irgendwann durchgedreht war. Man hatte ihn daraufhin in eine streng geheime Nervenklinik eingewiesen, in der geisteskranke Kriminelle und ausgebrannte Agenten dahinvegetierten. Dort wäre er wohl immer noch, hätte man für das Projekt “Backstep” nicht einen Freiwilligen gebraucht, der wahnsinnig genug war, um mitzumachen. Bei diesem Projekt handelte es sich nämlich um ein Zeitreiseprogramm, das auf außerirdischer Technologie basierte. Erst Ende der neunziger Jahre war es einem geheimen Spezialistenteam gelungen, die Technologie des 1947 bei Roswell abgestürzten Raumschiffs zu entschlüsseln. Ihnen war klar, dass die Außerirdischen Zeit und Raum manipuliert haben mussten, um solche astronomischen Entfernungen zurückzulegen. Bei dem Versuch, den fremden Antrieb nachzubauen hatten sie “versehentlich” eine Zeitmaschine konstruiert. Diese in einer Art Kugel installierte Vorrichtung war extrem schwierig zu steuern. Die kleinste Abweichung bedeutete den Tod des Chrononauten, wie die Piloten genannt wurden. Als es wieder einmal einen von ihnen das Leben gekostet hatte, suchte man nach einem neuen Freiwilligen, einen Job, den Frank Parker dem Aufenthalt in der Klapsmühle - wie er es nannte - vorgezogen hatte. Bisher war geradeso alles gut gegangen, doch jeder neue Auftrag bedeutete für Parker das potentielle Ableben. Da die Wissenschaftler die Rätsel des Raum-Zeit-Antriebs noch nicht komplett gelöst hatten, war eine Zeitreise nur in die Vergangenheit - und dabei nur maximal sieben Tage zurück - möglich.

“Auf geht’s, Frank!” rief Donovan.

“Ja, ja, ich komm’ ja schon,” sagte Frank und verließ seine Wohnung. Da er jederzeit einsatzbereit sein musste, befand diese sich in der Militärbasis.

Die beiden Männer liefen zum Einsatzraum, wo sie schon von Dr. Bradley Talmadge, dem Leiter des Projekts “Backstep” erwartet wurden. Der füllige Mann mittleren Alters hatte sich seine typische Zigarre angezündet und begrüßte Parker und Donovan.

“Wo brennt’s diesmal?” wollte Parker wissen.

Talmadge zeigte auf die Sessel um den Konferenztisch. “Setzen sie sich erstmal. Wir sind noch nicht komplett.”

Nur wenige Augenblicke später kam der Rest des Teams in dem Besprechungsraum an: Dr. Olga Vukavitch, eine große Blondine von herber Schönheit, die ständig von Parker umworben wurde, Andrew “Hooter” Owsley, der junge Computerspezialist sowie Nate Ramsey, seines Zeichens Sicherheitsbeauftragter des Stützpunktes und entschiedener Gegner von Frank Parker, was seine Funktion als Chrononaut betraf. Dr. Talmadge klärte sein Team über die Situation mit den Aliens auf. Der Präsident der Vereinigten Staaten hatte nach eingehender Beratung grünes Licht für das Projekt “Backstep” gegeben. Die Techniker bereiteten bereits die Zeitreisekugel vor.

“Ihr Ziel ist die Absturzstelle in Oregon, letzten Sonntag,” erklärte Talmadge Parker. Das Raumschiff schlug dort um genau 3.47 Uhr auf. Dabei zerbrach es in drei Teile. Das Spezialistenteam der Air Force und NASA traf dort um 4.43 Uhr ein. Wir müssen davon ausgehen, dass einige der Aliens schon vorher das Wrack verlassen haben. Daher müssen sie die Wrackteile sofort nach dem Absturz völlig zerstören.”

“Okay,” antwortete Frank Parker, “aber mit was?”

Diese Frage beantwortete ihm Olga Vukavitch. “Wir haben schon vor einiger Zeit herausgefunden, dass der Stoff, der die Zeitreisen möglich macht, unter Umständen hochexplosiv sein kann. Auf dieser Grundlage haben wir Sprengsätze konstruiert, ähnlich ferngesteuerter Haftminen. Sie wissen, dass der Stoff sehr begrenzt ist, Mr. Parker. Wir haben nur drei Haftminen, für jedes Wrackteil eine. Vergeuden sie sie nicht.”

Parker tat empört. “Hey, hab’ ich schon jemals...” Er unterbrach sich selbst, da er wusste, wie seine Kollegen auf diese rhetorische Frage reagieren würden. Sie sahen ihn ausnahmslos als chaotischen Bruchpiloten an, der ohne Rücksicht auf Verluste viel zu hohe Risiken einging und sich nicht immer an seine Befehle hielt.

“Schon gut; antworten sie nicht,” sagte er zu Olga. Die russische Wissenschaftlerin bedachte ihn mit einem strafenden Blick. Sie hatte viel für Frank übrig, doch sie zeigte es so gut wie nie. Das reizte ihn umso mehr. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht mit ihr flirtete.

“Versauen sie diese Mission bloß nicht, Parker, sonst reiße ich ihnen den Arsch auf!” sagte Ramsey. Dem Sicherheitsbeauftragten mit dem schütteren Haar, der immer einen korrekten Anzug trug, wurde das Leben durch Parkers Eskapaden ständig schwer gemacht. Oft genug fand er sich auch als Opfer eines seiner berüchtigten Streiche wieder. Er konnte Parker nicht ausstehen, und das beruhte auf Gegenseitigkeit.

“Wissen sie was, Ramsey?” erwiderte Frank. “Für sie lasse ich ein Alien am Leben; das bringe ich ihnen dann als Souvenir mit. Aber falls diese Viecher wirklich Gehirne fressen, wird es bei ihnen schnell verhungern.”

“Sie, sie...” brauste Ramsey mit hochrotem Kopf auf.

“Bitte, Gentlemen,” unterbrach sie Talmadge. “Mr. Owsley, bereiten sie den Zeitsprung vor. Wir werden dieses Ereignis ungeschehen machen.”

“Alles klar, Boss,” entgegnete Hooter und verließ den Raum, gefolgt von den anderen.

Als sie kurz darauf den riesigen Hangar betraten, waren schon dutzende von Technikern dabei, die Zeitkapsel für ihre Reise vorzubereiten. Die aus vielen Metallplatten zusammengesetzte Kugel ruhte auf einem Gerüst aus Stahlstangen, zu dem eine Treppe hinaufführte. Gegenüber in der Halle standen die Computer, die den Zeitsprung überwachten. Olga und Hooter nahmen ihre Plätze daran ein. Talmadge, Ramsey und Donovon warteten auf Parker, der weggegangen war, um sich umzuziehen. Als er schließlich zurückkam, trug er den charakteristischen signalorangefarbenen Raumanzug, den weißen Helm unter dem Arm. Als erstes lief er zu Olga, ein Ritual, auf das er nie verzichtete.

“Na, wie wär’s mit einem Abschiedskuss?”

“Sie geben es wohl nie auf,” stöhnte die Wissenschaftlerin. “Vielleicht wenn sie zurückkommen.”

“Ja, klar,” maulte Parker, “wenn ich zurückkomme ist es vorige Woche Sonntag, und sie können sich an nichts erinnern.”

“Das ist eben das Schicksal eines Chrononauten,” konterte sie lächelnd.

Mit gespielt beleidigtem Gesicht ging Parker auf die Gruppe der anderen Männer zu und verabschiedete sich bei ihnen mit Handschlag, ausgenommen Ramsey. Er stieg die Stufen zur Zeitkapsel hinauf und kletterte in das kugelförmige Objekt. Während die Techniker die äußeren Kabel und Zuleitungen lösten, checkte Frank die Systeme. Als Zielzeitpunkt war Sonntag, der 28. April 2002, 3.47 Uhr, einprogrammiert. Wie genau er den Zielort - die Absturzstelle in Oregon - traf, lag ganz bei ihm. Schließlich setzte er den Helm auf und schloss ihn an.

“Haben sie auch an die Minen gedacht?” fragte er in sein Helmmikrofon.

“Die sind im Koffer,” antwortete Olga von der Computerstation aus.

Als der Reaktor, der die Energie für den Zeitsprung lieferte, langsam hochgefahren wurde, begann die Kapsel mitsamt Gerüst zu vibrieren. Je größer die Energie anstieg desto heftiger wurde Frank in seinem Pilotensitz durchgeschüttelt. Dann hörte er Hooters Stimme, der den Countdown ankündigte: “Reaktor auf 75%... 85%... 100%!” Frank drückte die Starttaste. Er wusste, was jetzt kam, war aber immer wieder auf eine gefährliche Art davon fasziniert. Die Kapsel setzte zu einem Raum-Zeit-Sprung an, der sie ins Erdorbit katapultierte. Nun geschah im wahrsten Sinne des Wortes alles “gleichzeitig”. Während Frank hart hin und her geschüttet wurde, zogen vor seinem inneren Auge teilweise die Erinnerungen an die letzten sieben Tage vorbei. Die Erschütterungen waren so heftig, dass er jedes Mal Nasenbluten bekam. Manchmal platzten auch Blutgefäße in seinen Augen und Ohren. Gleichzeitig wurde es so heiß, dass seine Gesichtsbehaarung verbrannte, ein sehr unangenehmes und schmerzhaftes Gefühl. Kein Wunder, dass sie für das Projekt nur einen Wahnsinnigen als Piloten gebrauchen konnten, dachte Frank zum wiederholten mal. Zu allem Übel - und das war das schwierigste an jedem Zeitsprung - musste er die Kapsel in einem dreidimensionalen Koordinatenfeld stabil halten, um nicht ins All katapultiert zu werden und möglichst genau den Zielort zu erreichen. Bei dem gewaltigen Gerüttele war dies nahezu unmöglich, weswegen er gelegentlich den Zielort um einiges verfehlt hatte. Dies war jedoch weitaus weniger bedenklich, als in die Unendlichkeit des Weltraums zu schießen, eine Reise, von der es keine Rückkehr geben würde. Das Chronometer zeigte 03:47 Uhr an. Die Kapsel bewegte sich wieder auf die Erdoberfläche zu. Frank versuchte sie krampfhaft im Koordinatensystem zu halten. Plötzlich ging der Annäherungsalarm los.

“Was ist denn nun los?” fragte sich Parker laut. Aus einem der Fenster konnte er sehen, wie ein gleißender Feuerball auf Kollisionskurs auf ihn zugerast kam. “Oh, nein, das muss das UFO sein!”

Er riss das Steuer zur Seite. Das glühende Flugobjekt schoss um Haaresbreite an der Zeitkapsel vorbei. Der Luftsog brachte sie zum Trudeln. Nur mit Mühe und Not konnte Parker sie wieder abfangen und halbwegs auf Kurs bringen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie das fremde Raumschiff auf dem Boden aufschlug.

 

Oregon, Sonntag, 28. April 2002, 03:48 Uhr

Die Zeitkapsel landete sehr unsanft etwa einen halben Kilometer von der Absturzstelle entfernt. Dabei fielen ihr einige Bäume zum Opfer. Parker löste die Sicherheitsgurte und öffnete die Einstiegsluke. Er nahm einen silbernen Metallkoffer aus seiner Verankerung und kletterte ins Freie. Als erstes nahm er seinen Helm ab. Die kühle Nachtluft linderte seine Schmerzen. Sein Gesicht war rußgeschwärzt und er blutete schwach aus Nase und Augen. Er fühlte sich wie der sprichwörtliche Frosch im Mixer. Im Licht der Kapselscheinwerfer streifte er den hinderlichen Raumanzug ab. Darunter trug er seinen dunkelblauen Einsatzoverall. Aus dem Koffer nahm er ein feuchtes Tuch und wischte sich damit kurz über sein Gesicht. Dann entnahm er ein leistungsstarkes Militärhandy und drückte eine bestimmte Taste. Als sich am anderen Ende der Leitung eine weibliche Stimme meldete, sagte er nur: “Cassiopeia!”

 “Moment, ich stelle sie durch,” kam die Antwort.

“Cassiopeia” war das vereinbarte Codewort, das Eingeweihten verriet, dass Parker einen Zeitsprung hinter sich gebracht hatte.

Einen Augenblick später hatte er Talmadge am Apparat. “Frank, hat es einen Zeitsprung gegeben?”

“Allerdings. Hören sie, ich befinde mich in einem Wald nordöstlich von Portland in Oregon. Gerade ist hier ein UFO ‘runtergekommen, das gefährliche Aliens geladen hat, die innerhalb der nächsten Woche die gesamte Westküste verseuchen werden.”

“Wie bitte?” kam Talmadges ungläubige Stimme aus dem Lautsprecher.

“Ja. Checken sie das mit den Überwachungssatelliten der Air Force und der NASA. Sie haben mir den Befehl gegeben, das Wrack zu vernichten, bevor die Viecher ausbrechen können. Ich muss mich beeilen. Parker Ende!”

Frank legte das Gerät zurück, nahm den Koffer in die Hand und rannte in Richtung der Absturzstelle. Der Feuerschein wies ihm die Richtung, denn um das Wrack hatten einige Bäume und Büsche zu brennen begonnen. Kurze Zeit später hatte er die Stelle erreicht. Im Licht der einzelnen kleinen Feuer konnte er erkennen, dass das Raumschiff tatsächlich in drei Teile zerbrochen war. Ohne lange zu überlegen rannte er zu dem ihm am nächsten gelegenen Bruchstück, öffnete den Koffer und nahm eine der Haftminen heraus. Der Sprengsatz war etwa handtellergroß und silbern. Parker aktivierte den Zünder und heftete die Mine an die verbrannte Außenhaut des Schiffes. Als nächstes rannte er zum Mittelteil des Wracks und wiederholte dort den Vorgang. Seine natürliche Neugier, sich das außerirdische Schiff einmal von innen anzusehen, wurde durch sein militärisches Training unterdrückt. Hier ging es um das Schicksal der gesamten Menschheit - da gab es keinen Platz für persönliche Gefühle. Also arbeitete Frank Bartholomew Parker schnell und präzise wie eine Kampfmaschine. Er kniete gerade vor dem letzten Wrackteil, um die dritte Mine aus dem Koffer zu nehmen, als er ein Zischen hinter sich hörte. In einer blitzschnellen Bewegung griff er im Koffer nach seiner Dienstpistole, wirbelte herum, und lud die Waffe durch. Was er sah, ließ sein Herz einen Schlag aussetzen. Aus einer durch den Aufprall aufgerissenen Stelle der Raumschiffhülle stelzte das grauenhafteste Albtraumwesen, das er jemals gesehen hatte. Es war mindestens zweieinhalb Meter groß und hatte einen gewaltigen augenlosen Schädel, der auf einem dunklen, skelettartigen Körper saß. Als es Frank Parker wahrnahm (er wusste nicht, ob es ihn wirklich “sehen” konnte), fauchte es und kam auf ihn zugerannt. Ohne zu zögern feuerte der Chrononaut auf das Monster. Die ersten paar Schüsse prallten an dem Exoskelett des Wesens harmlos ab. Parker leerte das gesamte Magazin auf die immer näher kommende Bestie - ohne Wirkung!

“Verdammt!” rief er und warf die Pistole weg. Stattdessen schnappte er sich die letzte Haftmine und hechtete in die aufgebrochene Hülle des rückwärtigen Wrackteils. Als er nach hinten sah, bemerkte Parker, dass das Monster hinter ihm herrannte. Hektisch sah er sich im Innern des Raumschiffteils um. Hier gab es nirgendwo eine Deckung für ihn.

Das Alien kam immer näher. Frank rannte weiter ins Innere des Wracks, in der Hoffnung, irgendwo ein Versteck zu finden. Er hechtete über Trümmerteile und umherhängende Kabel, doch das Monster näherte sich unaufhörlich. Vor sich konnte Parker das Ende des Korridors ausmachen. War er erst einmal dort angelangt, würde er in der Falle stecken. Aus dem Augenwinkel bemerkte er plötzlich einen weiteren Riss in der Außenhülle - mit etwas Glück gerade groß genug, um ihm als Durchschlupf zu dienen. Wie ein Hase schlug er einen Haken und sprang auf die Öffnung zu. Doch das Alien reagierte genauso schnell und schlug mit einer Kralle nach ihm. Die rasiermesserscharfen Klauen zerrissen seinen Overall und fügten seinem Rücken große Schnittwunden zu. Parker schrie auf und zwängte sich weiter durch den Spalt, wobei ihm ein scharfes Metallteil in den linken Arm schnitt. Das Alien fauchte und hieb weiter wild nach ihm, doch er war außer Reichweite. Mit einem letzten Ruck drängte er sich ins Freie. Auf der  anderen Seite des Spalts fauchte ihn das riesige Wesen wütend an.

“Blöde olle Miezekatze!” rief Parker und untersuchte kurz seine Wunde.

 Der Kopf des Aliens verschwand plötzlich, und Frank konnte hören, wie das Monster wieder zurück zum Eingang des Wracks lief.

“Schlaue olle Miezekatze!” rief Parker.

Er rannte vom Wrack weg in Richtung Waldrand, sah dabei aber immer wieder über seine Schulter. Nach wenigen Sekunden erschien der hässliche Körper des Aliens am Wrackeingang. Parker blieb stehen und warf die Haftmine mit aller Kraft Richtung Alien. Das außerirdische Monster duckte sich ein wenig zur Seite, so dass der Sprengsatz einen Meter hinter ihm im Wrack aufprallte. Das Alien schaute dem Objekt nach. Parker zog den Funksender aus der Hosentasche und drückte auf den roten Knopf. Die drei Sprengsätze detonierten simultan in einem grellen Lichtblitz. Parker wurde meterweit in den Wald hineingeschleudert. Als er sich keuchend aufrappelte, bot sich ihm ein Bild der Verwüstung. Von dem Raumschiffwrack waren nur noch Kleinteile übrig, die über die ganze Absturzstelle verteilt waren, keines größer als einen halben Meter. Während er auf das Einsatzteam der Air Force und NASA wartete, das von Talmadge mit Sicherheit mittlerweile informiert worden war, untersuchte Frank Parker den “Ground Zero”. Hier und da fand er organische Teile, die an das Alien erinnerten, das ihn gejagt hatte. Er war sich sicher, dass keines der anderen Exemplare die Explosionen überstanden hatte. Er schaute auf seine Uhr. Es war jetzt genau 4.00 Uhr, und die Welt war wieder einmal gerettet.

 

© 2004 by Achim Dörr