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Der rote F 40  beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit, denn der Freeway außerhalb Los Angeles’ begann sich nun zu leeren. Der Fahrer, ein Südamerikaner in teuren Designerkleidern und mit Goldschmuck behängt, trat das Gaspedal voll durch. Innerhalb weniger Sekunden schnellte die Tachonadel auf über 300 Stundenkilometer. Mit dieser Geschwindigkeit würde er seinen Verfolger abhängen, dachte José. Schließlich fuhr der nur einen Trans Am – für amerikanische Verhältnisse ein rasanter Sportwagen, doch mit einem Ferrari Testarossa konkurrenzfähig. Dacht er zumindest. Ein Blick in den Rückspiegel ließ José blass werden. Der schwarze Trans Am mit dem lächerlichen roten Leuchtband in der Motorhaube holte mit einer schier unmöglichen Geschwindigkeit auf. José blickte auf seinen Geschwindigkeitsmesser. Er zeigte 330 km/h an und beschleunigte immer noch. Als er wieder einen Blick in den Rückspiegel warf, schrie er leise auf. Der Trans Am befand sich etwa einen halben Meter hinter seiner Stoßstange! José ahnte die Absicht seines Verfolgers. Mit geschickten Lenkmanövern versuchte er seine Überholversuche abzublocken. Anscheinend hatte er Erfolg, denn der Trans Am wurde etwas langsamer und fiel ein gutes Stück zurück. José lachte leise. Er sah sich schon in die Freiheit davonrasen. Plötzlich hörte er ein undefinierbares Geräusch, ähnlich einer Flugzeugturbine. Der schwarze Wagen hinter ihm war verschwunden. Doch wohin? Es gab hier nirgends eine Ausfahrt. In diesem Moment verdunkelte ein riesiger Schatten den Ferrari. José sah instinktiv nach oben – und verlor vor Schreck beinahe die Kontrolle über seinen Wagen. Der Trans Am flog über ihn hinweg! Mit offenem Mund, dem nur ein hilfloses Stöhnen entwich, schaute José zu, wie das nachtschwarze Auto wie ein Flugzeug etwa fünfzig Meter vor ihm auf der Straße aufsetzte, bremste und quer zur Fahrbahn stehen blieb. Panik ergriff von ihm Besitz. Er konnte der bevorstehenden Kollision nur ausweichen, indem er seinen Ferrari gegen die Böschung lenkte. Der rote Rennwagen raste mit einem dumpfen Knirschen in den sandigen Hügel auf der rechten Seite der vierspurigen Autobahn. Ein Reifen platzte, als sich abgebrochenes Metall in ihn bohrte, das von der Motorhaube abgerissen wurde. Sein Kopf prallte gegen das Lenkrad, und der Sicherheitsgurt brach ihm zwei oder drei Rippen. Er wurde sofort bewusstlos und bekam nicht mehr mit, wie seine Luxuskarosse fast senkrecht an der Böschung stehend zum Halt kam. Aus dem schwarzen Trans Am sprang ein Riese mit braunen Locken, gekleidet in schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke. „K.I.T.T., überprüf’ seine Lebensfunktionen!“ rief er. K.I.T.T. war der Name des schwarzen Trans Ams, die Abkürzung für Knight Industries Two Thousand. Dabei handelte es sich um viel mehr als nur ein einfaches Auto. In der mit reichlichen Spezialfunktionen ausgestatteten und unzerstörbaren Karosserie steckte die erste künstlich erschaffene Intelligenz auf der ganzen Welt. Diese war so perfekt gelungen, dass sie sogar eine eigene Persönlichkeit entwickelt hatte und ganz wie ein Mensch auch zu Gefühlsregungen fähig war.

„Die Person hat drei angebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung, Michael,“ antwortete K.I.T.T. Er hatte den Fahrer mit seinen vielfältigen Strahlen abgetastet und sofort die Diagnose erstellt.

Michael Knight, K.I.T.T.s „Pilot“ und einziger Exekutivagent der Foundation For Law And Government, kurz FLAG genannt, löste José behutsam aus der Fahrerkabine und legte ihn auf den Boden.

         „Ein Krankenwagen und die Polizei sind schon unterwegs,“ ergänzte K.I.T.T.

         „Gute Arbeit, Kumpel,“ sagte Michael.

         „Danke, Michael.“

Er wartete, bis der Krankenwagen und die Polizei eingetroffen waren und klärte die Formalitäten mit ihnen ab. José Delgado war ein gesuchter Drogendealer aus Kolumbien. In diesem Fall hatte die Foundation mit der Polizei zusammengearbeitet. Michaels Informationen brachten ihn zuerst auf die Spur des Verbrechers. Sein Fluchtversuch war endgültig gescheitert. Kurz danach saß Michael wieder in K.I.T.T. und fuhr in Richtung Hauptquartier der FLAG.

„Wieder einer von diesem Abschaum weniger auf der Straße,“ meinte Michael mehr zu sich selbst, doch K.I.T.T. griff den Gedanken auf.

„Warum tun Menschen anderen Menschen so etwas an?“ wollte er wissen.

„Gute Frage,“ antwortete Michael. „Weil man mit Rauschgift ein Vermögen machen kann, wenn man nur skrupellos und menschenverachtend genug dazu ist.“

„Aber das ist doch völlig unlogisch. Je mehr Drogen die Dealer an die Süchtigen verkaufen, desto mehr von ihnen sterben doch. Sie töten ihre eigenen Kunden.“

„Das stimmt. Aber das ist denen egal. Für jeden Drogentoten kommen zehn neue Süchtige dazu. Das Zeug wird sogar in Schulen an Kinder verkauft. Das ist wirklich das Letzte.“

         „Aber die Menschen wissen doch, was das Gift in ihrem Körper anrichtet. Wieso nehmen sie es dann?“

„Das kann viele Gründe haben. Manche nehmen es nur mal so zum Ausprobieren und kommen dann nicht mehr davon los. Andere haben persönliche Probleme und nehmen Drogen, um der Realität zu entfliehen. Doch das alles sind Einbahnstraßen. Sie verschlimmern nur alles.“

         Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Niemand hat je behauptet, dass Menschen logisch handeln.“

K.I.T.T. schien über Michaels Ausführungen nachzudenken, denn eine Weile schwieg er. Erst ein Anruf von Devon Miles, dem Leiter der FLAG, riss beide aus ihren Gedanken. K.I.T.T. übertrug die Bildtelefonverbindung auf den Monitor in seinem Armaturenbrett. Devons Gesicht erschien. Es handelte sich um einen etwa sechzigjährigen Mann mit schlohweißem Haar und einem britischen Akzent. Devon war nicht nur Michaels Vorgesetzter sondern auch ein guter Freund.

„Michael, kommen sie sofort zur Foundation zurück. Ich habe alarmierende Neuigkeiten für sie,“ sagte Devon. Er wirkte  sichtlich nervös.

        „Ich war sowieso auf dem Weg zu ihnen. Was gibt’s denn?“

        „Das erfahren sie, wenn sie hier sind. Beeilen sie sich!“

Damit erlosch das Bild auf dem Monitor.

Eine Viertelstunde später hatte K.I.T.T. das Gelände der Foundation erreicht. Michael parkte ihn vor dem großen, sandsteinfarbenen Gebäude im Landhausstil, das das Nervenzentrum der FLAG darstellte. Er hastete die Treppe ins Obergeschoß hoch und betrat Devon Miles’ Büro. Der große Raum war gediegen eingerichtet und beherbergte kostbare und geschmackvolle Stilmöbel, Teppiche, Gemälde und Kunstgegenstände. Devon saß hinter seinem gewaltigen Eichenholzschreibtisch und erhob sich, als Michael eintrat. Im Zimmer befanden sich auch noch Dr. Bonnie Barstow, K.I.T.T.s Computertechnikerin, und Reginald Cornelius III, der Einfachheit halber R.C. genannt, zuständig für die Fahrbereitschaft des Semi, dem mobilen Hauptquartier der Foundation.

Nach einer knappen Begrüßung ließ Devon die Katze aus dem Sack: „Michael, Durant ist aus dem Gefängnis ausgebrochen.“

        Michael starrte seinen väterlichen Freund mit großen Augen und offenem Mund an, während er weitererzählte.

        „Er hat gestern Nacht bei seiner Flucht zwei Wärter getötet und ist seitdem spurlos verschwunden.“

Michael hatte seine Sprache wieder gefunden. „Das wird er aber nicht lange bleiben. Er hat sich geschworen, mich umzubringen. Mit Sicherheit wird er bald in Kontakt mit mir treten.“

Er wandte sich zu der hübschen, schlanken Brünetten im weißen Overall um. „Bonnie, ich brauche alle Daten über den Ausbruch.“

„Schon dabei,“ antwortete sie und machte sich an einem Computer zu schaffen. „Ich übertrage alles, was wir über Durant haben, in K.I.T.T.s Zentralspeicher.“

„Gut,“ entgegnete Michael. Sein Gesichtsausdruck war todernst und angespannt; seine Augen strahlten eine unerbittliche Härte aus.

        „Ich sehe mir die Daten in K.I.T.T. an. Ich mache mich gleich auf den Weg.“

Als Michael den Raum verlassen hatte, stieß R.C. hörbar Luft aus. „Puh, so habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen,“ erklärte er.

Bonnie nickte. „Ich weiß, was du meinst. In dieser Gemütsverfassung war er zuletzt, als er Durant damals festgenommen hat.“

Keiner der drei Anwesenden würde die Geschehnisse vor etwa einem Jahr vergessen können. Michael war von einem von Durants Komplizen lebensgefährlich angeschossen worden, als sie einen Raub verübten. Michael hatte nach seiner Genesung bei der Foundation gekündigt, da er nicht mehr länger sein Leben riskieren wollte. Devon hatte ihn daraufhin wieder mit seiner Verlobten aus seinem früheren Leben als Michael Long zusammengebracht – Stephanie Mason. Die beiden heirateten schließlich. Doch Durant, der damals entkommen war, stürmte in seinem Wahn, Michael könnte ihn erkannt haben, mitten in die Hochzeitszeremonie und gab einen Schuss auf ihn ab. Stevie warf sich schützend vor ihren Ehemann und wurde tödlich getroffen. Daraufhin hatte Michael Durant quer durch die ganze Stadt gejagt, bis er ihn schließlich zu fassen bekam. Er prügelte ihn windelweich, bevor er ihn der Polizei übergab. Dabei hatte er sich noch zusammennehmen müssen, um ihn nicht umzubringen. Michael war stark. Er schien sich perfekt beherrschen zu können. Auch Stevies Tod schien er bald verkraftet zu haben. Doch Bonnie fragte sich insgeheim, wie viele Schicksalsschläge er noch aushalten konnte. Dass Durant jetzt wieder auf den Plan getreten war, war gar nicht gut. Bonnie hatte die Veränderung in Michael deutlich bemerkt. Sie betete inständig darum, dass auch dieses mal wieder alles gut ausging.

 

„Wo fahren wir hin, Michael?“ erkundigte sich K.I.T.T. Michael hatte nach seiner Rückkehr zu seinem künstlichen Partner sämtliche Daten über Durant gesichtet und dann den Wagen gestartet.

„Zu Durants Villa im Westen der Stadt. Ich glaube zwar nicht, dass wir dort viel finden werden, aber irgendwo müssen wir schließlich anfangen.“

Eine halbe Stunden später erreichten sie die pompöse Luxusvilla am Strand von Malibu, die sich nun der Staat zur Versteigerung einverleibt hatte. Hier hatte Durant gelebt, bis er sich dazu hinreißen ließ, Jagd auf Michael Knight zu machen. Michael stieg aus K.I.T.T. aus und betrachtete kurz das Gelände. Am Horizont versank gerade die Sonne im Meer und tauchte das Anwesen in blutrotes Licht. Wie passend, dachte Michael. Er wollte sich gerade in Richtung Eingangstor in Bewegung setzen, als sich K.I.T.T. zu Wort meldete.

         „Michael, ich empfange eine Nachricht über meine Geheimfrequenz.“

Michael beschlich ein ungutes Gefühl. Genauso hatte sich Durant auch damals mit ihm in Kontakt gesetzt, als er ihn in eine Falle locken wollte. Er setzte sich wieder auf den Fahrersitz und stellte die Monitorverbindung her.

         „Dann lass mal sehen,“ sagte er.

Auf dem kleinen Bildschirm erschien eine elektronische Textnachricht. Sie lautete:

                                              „Knight! Heute Nacht werde ich mich rächen! D.“

Das „D“ stand eindeutig für „Durant“. Michael fluchte. Er hatte gehofft, der Mörder würde ihm wieder einen Ort nennen, um ihn erneut in eine Falle zu locken. Doch diesmal hatte er wohl etwas anderes mit ihm vor. Michael war sich sicher, dass er sich wieder melden würde. Also wartete er auf eine weitere Nachricht.

Das letzte Tageslicht verblasste gerade, als Bonnie Barstow auf die Eingangstür ihres Apartmenthauses zuging. Ihr Arbeitstag bei der Foundation war beendet, und sie war müde. Die Ereignisse des Tages hatten ihr arg zugesetzt. Sie freute sich auf eine heiße Dusche und ein warmes Abendessen. Sie betrat das Foyer des Gebäudes und blieb vor den geschlossenen Lifttüren stehen. Das Erdgeschoß war völlig menschenleer. Bonnie drückte auf den Liftknopf. In diesem Moment packte sie jemand von hinten, hielt sie fest und drückte ihr ein feuchtes Taschentuch auf Mund und Nase, noch bevor sie aufschreien konnte. Sofort bemerkte sie den Chloroformgeruch. Sie hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Die junge Frau wand sich und versuchte, das Gesicht ihres Angreifers zu erkennen, doch vergeblich. Die Person war einfach zu stark. Dann begann das Chloroform zu wirken. Das letzte, was Bonnie wahrnahm, war, dass sie in den Lift gezerrt wurde.

„Michael, wachen sie auf!“ K.I.T.T.s Stimme ließ Michael aus seinem Schlaf aufschrecken. Er war sofort hellwach und richtete sich auf dem Fahrersitz auf.

        „Was ist passiert?“ fragte er alarmiert.

        „Ich habe eine neue Nachricht auf der Geheimfrequenz empfangen.“

        Der Bildschirm erwachte zum Leben. Es war wieder eine Nachricht von Durant:

 „Knight! Wenn sie Bonnie Barstow lebendig wieder sehen wollen, kommen sie sofort zur 42. Straße, Ecke 3.

Allein und ohne Polizei! D.“

„Bonnie!“ schrie Michael. Er betätigte einige Tasten und stellte eine Verbindung mit Devon her. Es dauerte eine weile, bis sich der honorige englische Gentleman meldete, denn schließlich war es schon nach Mitternacht.

        „Michael!“ rief Devon über das Bildtelefon. „Haben sie etwas herausge…“

        Weiter kam er nicht, denn Michael unterbrach ihn ungeduldig: „Wo ist Bonnie?“

        „Nun, nach Dienstschluss ging sie wie üblich nach Hause,“ antwortete Devon.

„Ich fürchte, Durant hat sie entführt. K.I.T.T. wird ihnen die zweite Nachricht zuschicken. Aber unternehmen sie nichts! Ich kenne Durant. Ich werde mich ihm allein stellen.“

        Devon machte ein besorgtes Gesicht. „Das halte ich für keine gute Idee, Michael…“

        „Devon,“ unterbrach ihn Knight abermals, „das geht nur Durant und mich etwas an. Bitte!“

Dann beendete er die Verbindung und fuhr los.

        „K.I.T.T., versuche sicherheitshalber, Bonnie zuhause anzurufen“

        „Ja, Michael,“ entgegnete der Computer.

        „Und jetzt gib mir alles, was du hast!“

Michael betätigte eine grüne Taste mit der Aufschrift SPM. Sofort fuhren an K.I.T.T.s Flanken Spoiler. Die Schnauze des Wagens nahm eine aerodynamischere Form an, und aus dem Heck wuchs ein überdimensionaler Raketenantrieb. Die Beschleunigung durch den Super Pursuit Mode drückte Michael tief in das Sitzpolster. Innerhalb weniger Sekunden beschleunigte K.I.T.T. bis zu seiner Höchstgeschwindigkeit von 540 km/h. Knapp fünf Minuten später hatten sie bewohntes Gebiet erreicht. Obwohl die Straßen so gut wie leer waren, schaltete Michael den Super Pursuit Mode wieder aus, um niemanden zu gefährden. K.I.T.T. sah jetzt wieder wie ein normales Serienfahrzeug aus, raste aber immer noch mit gut 100 km/h weiter. Wenige Minuten später hatten sie die angegebene Adresse erreicht. Es handelte sich um einen verlassenen Teil der Stadt, an dem ein neuer Wolkenkratzer errichtet wurde. Bereits siebzehn Stockwerke aus Stahl und Beton reckten sich in den Nachthimmel. Die ganze Baustelle wurde von einem hohen Bretterzaun abgesperrt. Michael umfuhr den Zaun bis zur Baustelleneinfahrt und hielt vor dem Maschendrahttor an, das durch ein einfaches Vorhängeschloss gesichert war.

         „Mach’ das Schloss auf, K.I.T.T.!“ befahl Michael.

Eine kleine Taste neben dem Steuer mit der Aufschrift Micro Jam leuchtete kurz auf, dann sprang der Bügel aus dem Schloss. Michael stieg aus, öffnete das Tor und ging zu Fuß weiter. Er winkte K.I.T.T. zu, ihm zu folgen. Der Wagen schaltete auf Autopilot und fuhr selbständig hinter Knight her. Beide bewegten sich auf den Neubau zu, als K.I.T.T. plötzlich meldete:

         „Michael, auf dem 17. Stockwerk orte ich zwei Personen. Eine ist männlich, die andere weiblich.“

         „Durant und Bonnie,“ presste Michael hervor.

         „Durant richtet jetzt einen Gegenstand auf uns,“ berichtete K.I.T.T.

Michael konnte nur sehr schwach eine Gestalt am Rand der dachlosen Etage erkennen, die sich vor dem großen Vollmond dunkel abhob. Er sprang sofort in Deckung, in der Annahme, dass Durant mit einer Waffe auf ihn zielte. Doch mit dem, was dann geschah, hatte er nicht gerechnet.

         „Ich muss mich korrigieren, Michael,“ sagte K.I.T.T. „Er richtet den Gegenstand auf mich…“

In diesem Moment erstarb K.I.T.T.s Stimme; stattdessen heulten sämtliche elektronischen Audioeffekte des Computers auf und der Wagen blieb stehen. Das leise Summen der Turbinen verstummte, und auch alle Leuchtdioden verdunkelten sich. K.I.T.T. war vollständig deaktiviert worden! Es musste mit dem Gegenstand zu tun haben, den Durant auf K.I.T.T. gerichtet hatte, dachte Michael, obgleich er auch nicht die Spur einer Idee hatte, welches Gerät einen solchen Totalausfall auf diese Entfernung verursachen konnte. Plötzlich vernahm er ein immer näher kommendes Surren. Als er sich umschaute, bemerkte er, dass der Arbeitsaufzug herunterkam. Die kleine Metallkabine blieb im Erdgeschoß stehen. Offensichtlich war dies Durants Aufforderung an Michael, ihn oben zu treffen. Knight überlegte fieberhaft. Ursprünglich wollte er sich auf K.I.T.T.s Mitwirkung verlassen. Er hatte vorgehabt, Durant durch K.I.T.T. irgendwie ablenken zu lassen und sich in einem günstigen Moment den Mörder zu schnappen. Doch Durant hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schließlich kannte er K.I.T.T.s Fähigkeiten bis zu einem bestimmten Grad. Noch mal wollte er sich sicherlich nicht durch die Zusammenarbeit Michaels und des Supervehikels übertrumpfen lassen. Geschieht dir recht, einen Gegner zu unterschätzen, sagte sich Michael im Stillen. Jetzt blieb ihm nur noch eine Möglichkeit. Er lief zu K.I.T.T. zurück, öffnete die Beifahrertür und kramte im Handschuhfach herum, bis er einen etwa faustgroßen Gegenstand hervorholte und ihn sich hinter dem Rücken in den Hosenbund stopfte. Dann lief er zum Lift, stieg ein und ließ ihn nach oben fahren. Als der Fahrstuhl die 17. Etage erreicht hatte, bot sich Michael Knight ein gespenstischer Anblick. Im fahlen Licht des Mondes stand etwa zwanzig Meter von ihm entfernt – direkt an der Kante zum Abgrund – Durant. Er hielt Bonnie als Schutz vor sich und hatte eine Pistole auf ihre Schläfe gerichtet. Die Hände der jungen Frau waren hinter ihrem Rücken gefesselt, ihr Mund geknebelt. Sie starrte Michael mit weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen an.

„Endlich sehen wir uns wieder, Knight!“ rief Durant mit unverhohlener Schadenfreude. „Heute ist die Nacht der Rache! Kommen sie her!“

Michael ging langsam auf seinen Widersacher zu.

„Du redest von Rache, Durant?“ sagte Michael. „Du warst es doch, der meine Frau ermordet hat. Und jetzt lässt du deinen Wahnsinn wieder an einer Unschuldigen aus. Lass Bonnie laufen. Das geht nur uns beide etwas an.“

Michael stand jetzt zwei Meter vor Durant. Der Mann hatte sich nicht verändert. Er war gut einen Kopf kleiner als Knight, etwa zehn Jahre älter und hatte schwarzes, gelocktes Haar. Sein gut aussehendes Gesicht hatte etwas von einem Südländer. Auch sein Akzent war der eines Mexikaners.

„Oh, nein, Knight,“ lachte er. „So treffe ich dich am tiefsten. Erst starb deine Frau und jetzt deine Freundin. Und du musst alles mit ansehen, bevor ich auch dich erledige.“

        „Diesmal nicht, Durant,“ antwortete Michael.

Und was willst du dagegen tun, häh? Dein albernes Auto habe ich ausgeschaltet. Du bist mir hilflos ausgeliefert.“

„Das sehe ich nicht so, Durant,“ antwortete Michael, griff nach hinten und zog seinen alten 38er-Special-Polizeirevolver aus dem Hosenbund. Er legte blitzschnell auf Durant an, wobei er die Waffe mit beiden Händen in Kopfhöhe hielt.

„Weißt du Mistkerl eigentlich, was du mir angetan hast?“ brüllte Michael mit Wut entstelltem Gesicht. „Du hast mir das genommen, was ich am meisten geliebt habe. Ich wollte mit Stevie ein neues Leben beginnen, mich zur Ruhe setzen. Aber du hast dafür gesorgt, dass ich weitermachen musste. Meine einzige Familie ist jetzt die Foundation und mein einziger Lebenszweck, Typen wie dich aus dem Verkehr zu ziehen. Und da hast du die Stirn, aus dem Knast auszubrechen und dich wieder mit mir anzulegen? Du weißt gar nicht, wie dumm du bist, was? Und dadurch, dass du K.I.T.T. ausgeschaltet hast, hast du dir selbst deine letzte Chance genommen, diese Sache heil zu überstehen. Jetzt bleiben uns beiden nur noch die Waffen.“

         Durant ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er grinst hämisch.

„Ich kenne dich viel zu gut, Michael Knight. Du wirst niemals auf mich schießen. Und erst recht nicht, wo du wahrscheinlich sowieso nur deine Freundin treffen würdest.“

Michael visierte heimlich Durants Kopf an. Er schaute zwar nur wenige Zentimeter hinter Bonnies Gesicht hervor, doch auf diese Entfernung waren seine Chancen, tatsächlich Durant statt Bonnie zu treffen, ziemlich hoch.

         „Du wirst Bonnie sowieso erschießen, das hast du vorhin selbst gesagt. Wir haben beide nichts zu verlieren.“

Kaum hatte er zu ende gesprochen, drückte Michael ab. Die Kugel drang in Durants rechtes Auge. Unter Bonnies gellenden Schreien taumelte er einige Schritte rückwärts und stürzte über den Rand des Fußbodens siebzehn Stockwerke in die Tiefe.

 

Am nächsten Tag hatten sich alle in Devons Büro versammelt.

         „Damit ist der Fall `Durant´wohl endgültig abgeschlossen,“ meinte Devon.

         „Was mich interessieren würde,“ sagte R.C., „wie hat dieser Durant es geschafft, K.I.T.T. lahm zu legen?“

„Er hatte eine E.M.P.-Kanone,“ antwortete Bonnie. „Als ich in seiner Gewalt war, bemerkte ich, dass er ein etwa unterarmlanges und zwanzig Zentimeter dickes, rechteckiges Gerät mit sich trug, dessen Bedeutung ich mir zuerst nicht erklären konnte. Als ich dann jedoch die Auswirkungen auf K.I.T.T. sah, wusste ich, dass es sich nur um einen elektromagnetischen Impuls handeln konnte. Diese „Kanone“ strahlt diese stark gebündelten „E.M.P.s“ ab, die jedes computergesteuerte Gerät lahm legen.“

Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ich werde versuchen, einen wirksamen Schutz dagegen zu entwickeln, damit K.I.T.T. das nicht noch mal passiert.“

Michael hatte die ganze Zeit über nichts gesagt. Jetzt stand er aus seinem Sessel auf und zwang sich zu einem kurzen, künstlichen Lächeln.

         „Wenn ihr nichts dagegen habt, hau’ ich jetzt ab. Ich muss mir einiges durch den Kopf gehen lassen.“

Er huschte durch die Tür, und wenige Augenblicke später konnten sie hören, wie er mit K.I.T.T. davonfuhr. Eine Weile herrschte betretenes Schweigen im Raum. Schließlich brach Devon die Stille.

„Ich glaube, keiner von uns hätte damit gerechnet, dass die Sache so ausgeht. Es muss Michael eine übermenschliche Überwindung gekostet haben, einen Menschen zu töten, selbst wenn es der Mörder seiner Frau war.“

Bonnie nickte. „Stevie hat ihm alles bedeutet. Er hat eine unheimliche Charakterstärke bewiesen, dass er Durant nicht schon damals nach dem Anschlag getötet hat. Ich weiß nicht, wie ich an seiner Stelle reagiert hätte. Jedenfalls bin ich der Meinung, das Durant erst jetzt seine gerechte Strafe erhalten hat. Ich hoffe, dass Michael jetzt endlich Ruhe finden wird.“

  

Michael Knight saß an einem menschenleeren Teil des Strandes und beobachtete, wie die Sonne abermals unterging. K.I.T.T. stand wenige Meter hinter ihm; sein Scanner bewegte sich unermüdlich hin und her.

         „Michael, kann ich sie etwas fragen?“

         „Klar, Kumpel,“ antwortete er abwesend.

         „Hätten sie auch auf Durant geschossen, wenn es nicht um Bonnies Leben gegangen wäre?“

Michael überlegte lange. „Ich musste nicht nur Bonnies sondern auch mein Leben verteidigen. Aber ich weiß, was du meinst. Die Frage müsste lauten „habe ich nur auf Durant geschossen, um unser Leben zu retten oder um Stevies Tod zu rächen?“

         „Und die Antwort darauf, Michael?“

         Michaels Blick schien sich in der Ferne zu verlieren.

         „Ich weiß es nicht, K.I.T.T. Ich weiß es nicht.“

 

E N D E

 

 © 1991, 2005 Achim Dörr