Hauptseite

 

A New Knight

 

Ein Interview mit Justin Bruening

von Marc Shapiro (Starlog # 371, Dezember 2008)

 

 

Nach eigenen Schätzungen mußte Justin Bruening "mehr als eine Million" Dialogzeilen während seiner vier Jahre in der Seifenoper All My Children auswendig lernen. Aber er ist sich nicht sicher, ob diese Pflichtkür einer Nachmittagsserie an das herankommt, was von ihm als Mike Traceur in der NBC-Primetime-Neuauflage der 1980er Serie Knight Rider erwartet wird.

 

         "Ich werde ehrlich mit ihnen sein. Ich weiß nicht, was härter ist," sagt er während einer Mittagspause nach mehreren Sieben-Tage-Wochen, die benötigt wurden, um die ersten sechs Knight-Rider-Episoden in den Kasten zu bekommen. "Emotional fordernd? Yeah, es ist weitaus mehr emotional fordernd als All My Children jemals war. Aber physisch? Mann, es gibt keinen Vergleich dazu, was ist zur Zeit mache!"

 

         Bruening, ein früheres Model und Fast-Kandidat für die Titelrolle in Superman Returns, fand heraus, wie hart ein Job in Knight Rider sein kann, als er während einer Kampfszene für den eineinhalbstündigen Pilotfilm sein Knie ausrenkte, weswegen er drei Wochen lang eine Auszeit nehmen mußte. Drei Wochen und einen Tag später war er zurück auf dem Set und tauschte wieder Schläge mit den Bösen aus. Der Schauspieler merkt lachend an, daß die Dinge nicht weniger anstrengend wurden, nachdem Knight Rider in Serie ging.

 

         "Ich kriege in dieser Serie jede Woche in den Hintern getreten," kichert er. "Wir hatten sogar eine Folge, in der ich in der Wüste eingegraben und zum Sterben zurückgelassen werde, während Rennwagen über meinen Kopf fahren. Ich habe gerade das Drehbuch für die nächste Folge, die wir drehen, bekommen, und darin muß ich von einer Klippe springen! Ich bin nervös und neugierig zugleich. Was Michael jede Woche passiert, wurde zu einem Running Gag in der Serie. In jeder Woche sterbe ich fast, und dann entkomme ich irgendwie."

 

         Obwohl er mehrere Stunt-Doubles zu seiner Verfügung hat, ist Bruening stolz auf die Tatsache, daß er bisher fast alle seine Stunts selbst gemacht hat. "Unter'm Strich läuft's darauf hinaus: Wenn es ein Stunt ist, bei dem ich ernsthaft verletzt werden und nicht mehr arbeiten könnte, benutzen sie einen Stuntman. Aber falls ich einen Stunt mache und mir dabei den Arm breche, schreiben sie den gebrochenen Arm einfach ins Drehbuch hinein!"

 

         Bruening schließt sich dem Chor der Knight-Rider-Insider an, die behaupten, der eineinhalbstündige Pilotfilm - der seiner Ansicht nach eher ein Prequel war - unterscheide sich komplett von der neuen Serie (die mittwochs um 20 Uhr gesendet wird). "Diese eineinhalb Stunden etablierten unsere Charaktere, die Richtung des Handlungsverlaufs und wie sich die Dinge entwicklen werden," sagt er. "Jetzt - in der Serie - können wir die Dinge richtig angehen. Wir müssen jeden nicht nochmal vorstellen und haben jetzt mehr Zeit, diese Leute kennenzulernen und herauszufinden, wer sie wirklich sind."

 

         Michael Traceur ist ein Charakter ähnlich Jason Bourne, mit einer mysteriösen Vergangenheit und gleichzeitig mit der Gegenwart verbunden. "Ja, er ist ein Actionheld, aber er ist ein Actionheld, der seine Dämonen und Probleme hat," erklärt Bruening. "Er ist nicht der Typ, der von einem Gebäude springt ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Er hat Angst. Er ist verunsichert. Und es gibt Menschen, die ihm am Herzen liegen."

 

         Dieser umgestaltete Knight Rider ist viel tiefer als das ursprüngliche Konzept eines Mannes und seines Autos. "Michael war ein emotional fordernder Charakter zu spielen," sagt Bruening. "Und das kommt nicht nur durch seine Beziehung zu K.I.T.T. Es kommt von seiner Vergangenheit und dem an was er sich erinnert und an was nicht aus seiner Zeit im Irak und was Jahre davor geschah. Als er zu Michael Knight wird, wird er seine Vergangenheit los - zum großen Teil. Aber dann gibt es da noch seine ehemalige Freundin, um die er sich zutiefst sorgt und die wieder Teil seines Lebens ist. Sie ist die Schwachstelle in seiner Rüstung. Wenn ihr etwas geschieht oder sie in Gefahr ist, trifft ihn dies genauso."

 

         Gedächtnisschwund plagt Michael, und regelmäßig erlaubt die Serie aufregende Einblicke in seine geheime Vergangenheit. "Wenn er am wenigsten damit rechnet, tauchen diese kleinen Fragmente aus seiner Vergangenheit auf, die sowohl den Charakter als auch das Mysteriöse vertiefen," beobachtet Bruening.

 

         Bruening gibt zu, daß diese Zerstückelung von Informationen die ersten Episoden hindurch auch für ihn ein ständiges Mysterium ist. "Ich lese ein Drehbuch und denke, 'Wow! Damit hätte ich nicht gerechnet!'" grinst Bruening. "Jede Woche ist es etwas Neues, das mein Charakter nicht weiß, und selbst zu diesem Zeitpunkt ist es mir immer noch ein Rätsel, was er wirklich versteht und was nicht. Im Moment habe ich das Gefühl, daß Michael mehr über seine Vergangenheit weiß, als er zugibt. Deswegen ist er auch nicht der typische Action-TV-Star. Dieser Typ ist sehr komplex."

 

         Episode Sieben, die gerade vor den Kameras in einer höhlenartigen Bühne in den Universal-Studios abgedreht wird, ist typsich für die Art, wie Bruening ständig im Dunkeln gehalten wird. "Ich werde ununterbrochen von diesem Typ überrascht," sagt er. "Da passieren Dinge im Drehbuch, von denen ich dachte, die wären ein absoluter Witz, und dann stellt sich heraus, daß sie todernst sind. Ich rede dann immer mit Gary (Showrunner Gary Scott Thompson), und der erzählt mir, warum Michael so handelt oder denkt, und plötzlich macht es Sinn. Durch die Gespräche mit Gary habe ich entdeckt, daß es in jeder Episode ein Puzzlestückchen gibt, die die Mythologie dieses Charakters erweitert."

 

         Aber wie jeder weiß, der auch nur ansatzweise Knight Rider kennt, ist die ganz große Sache die Beziehung zwischen Michael und K.I.T.T., der nun ein hochgezüchtetes, formwandelndes Superauto ist, das von Val Kilmer gesprochen wird. "Da passiert mehr, als daß sich das Auto und Michael gegenseitig Anweisungen geben," erklärt Bruening. "Ihre Beziehung ist wie die in einem dieser Buddy-Cop-Filme. K.I.T.T. ist Michaels Partner. Michael schnauzt ihm keine Befehle zu. K.I.T.T. ist wie ein Soldatenkamerad. Er deckt Michaels Rücken, und er wird ihn immer beschützen.

 

         "K.I.T.T. ist eine weiterentwickelte Version einer künstlichen Intelligenz. Er bekommt ständig Updates, und er lernt und verarbeitet unaufhörlich Informationen. Vieles der Weiterentwicklung ihrer Beziehung beruht auf der Tatsache, daß K.I.T.T. durch Michael eine Menge über diese Welt lernt. K.I.T.T. hat es mit Logik; Michael hat es mit Strategie. Und mit der Zeit beginnt K.I.T.T., Michael zu imitieren. In vielerlei Hinsicht ist K.I.T.T. ein Kind, und er möchte von Michael Antworten haben. Aber andererseits, wenn Michael mit jemandem reden möchte, geht er zu K.I.T.T. K.I.T.T. ist wie der Psychologe der Serie, und Michael öffnet sich ihm immer mehr!"

 

         Bruening wurde am 24. September 1979 in Chandron, Nebraska, geboren und wuchs im nahegelegenen St. Helena, Nebraska, auf, dessen Einwohnerzahl sich durch seine Geburt auf 85 erhöhte. Als er gerade mal alt genug war, um mit der Fernbedienung die Kanäle zu wechseln, war er schon von Knight Rider begeistert.

 

         "Die Serie wurde ausgestrahlt, als ich vier Jahre alt war, und ich sah sie mir religionsähnlich an," erinnert er sich. "Als Knight Rider dann auf mehreren Sendern lief und es täglich kam, beeilte ich mich immer, von der Schule nach Hause zu kommen und vor der Röhre zu sitzen. Ich besaß die Lunchbox. Ich zog mich wie Michael Knight an. Ich wollte im wahrsten Sinne des Wortes Knight Rider sein."

 

         Jahre später, nach einem Gastspiel am Chandron-College und weniger lustigen Farm-Jobs wie dem künstlichen Befruchten von Vieh, entschied sich Bruening, daß das Schauspielern seine wahre Berufung sein könnte und zog nach Südkalifornien, in der vagen Hoffnung, ein Star zu werden. Doch das Schicksal griff wie so oft ein. Während er um sechs Uhr morgens auf sein McDonald's-Frühstücksmenü wartete - das Vorspiel zu seinem damaligen Job bei Blockbuster-Video - , bemerkte er eine Frau, die ihn aus dem Gastraum heraus anstarrte.

 

         "Sie kam zu mir und fragte mich, ob ich jemals das Modeln in Betracht gezogen hätte," bemerkt Bruening. "Sie war nicht die Erste, die mich das gefragt hatte, aber ich war nicht wirklich daran interessiert. Dann erzählte sie mir jedoch, daß Modeln eine gute Möglichkeit wäre, ins Schauspielfach zu wechseln."

 

         Bruening schluckte den Köder und fand sich bald auf dem Catwalk für solch hochwertige Klienten wie Abercrombie & Fitch. Und seine Agentin hatte Wort gehalten: Schauspielangebote begannen hereinzukommen. In 2002 erschien Bruening (in einem Swimming Pool) im Britney-Spears-Video "Boys" - eine Tortur, die durch die Tatsache erschwert wurde, daß Bruening nicht schwimmen kann.

 

         Dann kam das Angebot, das er nicht ablehnen konnte: die Rolle des Jamie Martin in All My Children. "Ich lernte dermaßen durch meine tägliche Anwesenheit am Set," erinnert er sich. "Ich lernte, wie man eine Menge Text in möglichst kurzer Zeit auswendig lernt. Und natürlich traf ich schließlich meine Frau, (Schauspielerin) Alexa Havins, in der Serie."

 

         Doch nach vier Jahren in All My Children war Bruening bereit, etwas Neues auszuprobieren. Gastauftritten in Cold Case und CSI: Miami folgte das Angebot, an Bord der Knight-Rider-Neuverfilmung zu kommen. "Von dem Moment an, als ich das Drehbuch und die Charakterbeschreibung gelesen hatte, wußte ich, daß ich diesen Job buchen würde," sagt er. "Und obwohl wir im eineinhalbstündigen Pilotfilm nicht an den charaktertiefen Stoff herangingen, wußte ich, daß die Realität, wer Michael war, irgendwo darin versteckt lag. Ich ging sofort eine Verbindung mit ihm ein und mochte die Vorstellung, daß er der Held und der Gute war, aber nicht der stereotypische liebe Kerl. Sicher, er wird die Mission beenden und das Richtige tun, aber er wird es auf seine Weise tun."

 

         Während Bruening anerkennt, daß seine Arbeitsethik ihm geholfen hat, eine klare Sichtweise ins Showbusiness aufrechtzuerhalten, meint er doch: "Nichts, was ich bisher getan habe, hat mich auf dies hier vorbereitet. Ich arbeite 16 Stunden am Tag ohne Freizeit und habe die meisten meiner Szenen mit einem Auto!" lacht er. "Morgen drehen wir Szenen für drei verschiedene Folgen, und alle drehen sich um K.I.T.T. und mich. Viele meiner Szenen mit K.I.T.T. werden mit Greenscreen gemacht. Deswegen gibt es einen Tag in der Woche, an dem die Regisseure kommen, um ihre Schuldscheine einzulösen - und dieser Tag ist morgen! Ich werde 16 Stunden damit verbringen, im Fahrersitz zu sitzen. An Tagen wie diesen ist es schwierig, die Episoden auseinanderzuhalten. Anfangs konnte ich damit umgehen, aber nun, da die Folgen immer komplexer werden, ist es schwieriger, sich zu merken, wie ich gerade gefühlsmäßig drauf bin und was gerade geschehen ist."

 

         Bruening ist realistisch genug, um zu wissen, daß die Sterblichkeitsrate für eine neue Fernsehserie hoch ist. "Die Tragweite des Ganzen hat sich noch nicht gesetzt. Sie kommt und geht," gibt er zu. "Wenn ich gigantische Knight-Rider-Anzeigentafeln in der Stadt sehe, dann merke ich, daß es eine große Sache ist. Aber im Moment denke ich nicht an die Lebendauer. Ich will einfach, daß die Serie gut ist."

 

         Als er zurück aufs Set für weitere acht Stunden Filmen gerufen wird, erlaubt sich Bruening einen Moment der Spekulation, wo sich Michael Traceur langfristig wiederfinden wird. "Ich möchte, daß Michael sich an die Dinge zu erinnern beginnt, die er vergessen hat. Ich weiß nicht, wie lange wir diese Sache mit dem Nichterinnern hinausziehen können. Und es würde seinem Charakter eine andere Dimension verleihen - zu sehen, ob Michael wirklich so ein guter Kerl ist und ob seine schrecklichen Erinnerungen an den Irak und davor wahr sind."

 

         Justin Bruening setzt daraufhin ein verschmitztes Grinsen auf. "Ich meine, denken sie mal darüber nach: Vielleicht sind die Erinnerungen, die er hat, gar nicht seine. Vielleicht sind sie die eines anderen!"

 

(Übersetzung: AD)